Von Kirsten Prinz
Welche gesellschaftliche Bedeutung hat Fernseh-Satire, gerade in Zeiten politischer Extreme? Kann sie heute noch aufklärerische Arbeit leisten und damit politische Wirkung erzielen? Diesmal wurde bei „Scobel“ die eigene journalistische Branche ins Visier genommen, denn es ging an diesem Abend auf 3 Sat um Satire, Journalismus und Politik. Die drei Gäste: Friedrich Küppersbusch, „legendärer Moderator“ der Satire-Sendung „Zack“ aus den 90er Jahren, Dietrich Krauß, früher Journalist bei „Plusminus“ und „Monitor“ und heute Autor bei der Satire-Sendung „Die Anstalt“ und schließlich: Jennifer Neumann, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin am Institut für Germanistik.
Ob „heute-show“, „ZDF Magazin Royale“ oder „extra 3“: Wir wollen unterhalten werden – aber politisch. Der Erfolg solcher Formate zeigt sich auch im Vergleich von Einschaltquoten. So hat das allabendliche „heute journal“ manchmal weniger Zuschauer*innen als die „heute-show“. Sind solche Satireformate aber nicht bestenfalls „Chips, die schön knuspern“, wie es Friedrich Küppersbusch zugespitzt formulierte? Denn auch bei diesen Sendungen handelt es sich letztlich um eine Form des Konsums. Doch für Jennifer Neumann sind sie immer beides: Eskapismus und kritische Analyse. Trotz der Gefahr, sich einfach nur hinter dem Bildschirm zurückzulehnen, bedeute allein die Wahl, eine solche Sendung zu schauen, auch eine Entscheidung, sich mit Politik auseinander zu setzen. Nicht trotz, sondern gerade weil Humor Aufmerksamkeit steigert, eignet er sich zur Vermittlung aktueller Diskussionen.
„Lustig reicht nicht“, so Scobel gleich zum Einstieg. Daran knüpft Krauß an und betont, dass Satiresendungen längst nicht mehr nur auf bereits bekannte Wissenszusammenhänge anspielten, sondern sie darüber hinaus auch selber herstellen und gleichzeitig unterhaltend sein müssten. Das sei der Unterschied zur Comedy, wo Anspielungen und häufig auch der Einsatz von Klischees reichen würden. Gerade das reiche nicht aus. Es geht um Aufklärung. Sendungen wie die „heute-show“ oder „Die Anstalt“ hätten den Anspruch, „kritisch zu sein, zu hinterfragen mit komischen Mitteln“. Damit erfülle die „heute-show“ auch den Bildungsauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Mehr noch: Oft genug seien diese Formate sogar kritischer als andere etablierte journalistische Formate, so Scobel. Und Neumann bekräftigt das: „Bei den Einspielern der ‚heute-show‘ kann man sehen, dass die interviewenden Komiker*innen häufig informierter wirken als die Akteure selbst.“

Gerade weil Satire kritisch wirke, könne sie auch systemstabilsierend sein, gibt Küppersbusch zu bedenken. Neumann spricht dabei von „Psychohygiene“. Man könne sich aufregen, „Emotionen ablassen und zufrieden den Fernseher ausschalten.“ Was aber wäre dann die Fernsehwelt ohne Satire? Das ist der Moment der Seitenhiebe auf den Abendprogramm-Journalismus: „Lanz, Illner und andere Politiktalkshows“ zeichneten sich durch Humorlosigkeit aus, findet Küpperbusch. Und Scobel spitzt zu: Kritische Fragen würden oft nicht gestellt. Bildung, Klima, Wohnen seien im ersten Kanzlerduell nicht vorgekommen. Das sei „journalistisch unter der Messlatte“. Nach diesem Statement – Schweigen am runden Tisch und ein Blick zu Jennifer Neumann. Wie läuft das denn im Ausland? Denn bei Comedy geht es um den Blick in die USA.
Neumann verweist hier auf die US-amerikanischen Late-Night-Shows. Von ihnen erwarte das Publikum häufig mehr an politischer Information als von einer herkömmlichen Nachrichtensendung. Paradebeispiel sei der Komiker und Moderator Jon Stewart, dem häufig mehr Vertrauen entgegengebracht werde, als den herkömmlichen häufig sehr einseitigen Nachrichtensendungen. Solche Shows dienten dann der journalistischen „Schadensbegrenzung“ und hätten eine wichtige Einordnungsfunktion. An dieser Stelle zeigte sich, Satire kann den konventionellen Journalismus sogar an genauer Recherchearbeit übertreffen, kombiniert mit kritischer Zuspitzung.
Und dann ist da noch die Kritik am eigenen Betrieb. Herkömmliche Polit-Talkshows wie „Lanz“, drohten in festgefahren Rollen zu versinken. Es sei immer das Modell „Boxkampf“ (Küppersbusch) mit verteilten Rollen: Kasper, Gretel und das Krokodil. Dabei ginge es immer wieder darum, diesen Schlagabtausch zu simulieren. Extreme Positionen erhalten dann erst recht Raum und drohten zur „Castingshow für Krokodile“ zu werden. Satire, das betonten alle, unterliegt nicht solchen „Neutralitätsklauseln“. Sie muss nicht jede Position zu Wort kommen lassen, sondern kann zuspitzen genauer einordnen, unsinnige oder menschenfeindliche Positionen ausblenden.
Die aktuelle politische Situation in den USA zeigt aber eine weitere Gefahr. Was passiert, wenn Politiker wie Trump sich selbst des Entertainments bedienen, zum „Politainment“ werden? Wo ist also die Grenze, wenn Satire noch aufklärerisch wirken soll? „Die Erwartungshaltung an Satire muss realistisch sein. Satire kann gar nicht existieren ohne reguläre Nachrichtenformate, auf die sie sich bezieht“, sagt Neumann. Gerade gute Recherche ist auch für Krauß die Grundlage guter Satire. Hier öffneten sich Kooperationsräume, z. B. bei „Böhmermann“. Klassische Medien können mit kleinen journalistischen Onlineportalen zusammenarbeiten, sodass deren Recherchen ein Podium erhalten. Zusammenhänge herausarbeiten, aber auch den Kern der Sache, den Witz, das ist Krauß wichtig.
Doch wer findet eigentlich solche Sendungen gut? Dazu Neumann: „Humor ist immer auch Selbstcharakterisierung. Damit identifiziert man sich. Es gibt Untersuchungen, dass solche Formate eher linksgerichtet geschaut werden, aufgrund der kritischen Komponente.“ Gerade dieser antiautoritäre Gestus werde jedoch jetzt von rechts gekapert, so Küppersbusch und Krauß fasst nach: Hier laufe Satire dann Gefahr, nur noch Zerrbilder und Ressentiments zu bedienen und eben nicht mehr aufklärerisch zu wirken. Mit anderen Worten: Chips, ja – aber mit kritisch-journalistischem Crunch.