CC BY-SA 3.0 de, Foto von Sven Teschke

Von Tewodros Meshesha

Frankfurt Die amharisch-äthiopische Diaspora Community ehrte Lij (Prinz) Asfa-Wossen Asserate zu seinem 75. Geburtstag, am 12. November 2023. Der Großneffe des letzten Kaisers Äthiopiens, Haile Selassie, wurde in den Räumen der Tewahedo Kirche in der Frankfurter Kruppstraße empfangen.

Doktor Asfa-Wossen Asserate wurde in Deutschland durch seinen Bestseller Manieren bekannt, einem Buch, das die deutsche Kultur- und Verhaltenslandschaft skizziert. Er erhielt unter anderem den Adalbert-von-Chamisso-Preis, der an deutschsprachige Autor*innen verliehen wird, deren erste Sprache nicht Deutsch ist. So wie sich Chamisso als „geborener Franzos und gepfropfter Deutscher“ sah, könnte man auch Asfa-Wossens Verhältnis zu Deutschland in ähnlichen Worten beschreiben. Bekannt ist er auch für seine Autobiographie Ein Prinz aus dem Hause David und warum er in Deutschland blieb.

Seit den frühen Siebzigerjahren lebt der Autor in Deutschland. Zunächst studierte er Jura, Volkswirtschaftslehre und Geschichte in Tübingen, später promovierte er in Frankfurt mit einer Dissertation über „Die Geschichte von Šawā (Äthiopien) 1700–1865“. 1974 wurde der Studienaufenthalt durch die kommunistische Derg-Revolution und das Absetzen des Kaiserhauses zu einem politischen Exil. Bis 1991 durfte er nicht mehr nach Äthiopien reisen. Zu diesem Zeitpunkt besaß er schon seit zehn Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft. 1976 gründete er die erste deutsche Menschenrechtsorganisation für Äthiopien, den Council for Civil Liberties in Ethiopia. Gerade diese menschenrechtlichen Unternehmungen Asfa-Wossen Asserates wurden an diesem Abend im November 2023 gewürdigt. Jedoch stand nicht der „Prinz aus dem Hause David“ im Mittelpunkt, sondern die äthiopische Heimat. Das galt auch für die rund hundert Gäste, die eine äthiopische Herkunft teilen oder wie in meinem Fall halb teilen.

Für deutsche Bürger*innen mochten das Ritual und die Festlichkeit, die alle Abläufe begleitete, befremdlich wirken. Zunächst überreichte ein Blumenmädchen Asfa-Wossen Asserate einen Strauß, bevor dieser auf einem stark an einen Thron erinnernden Stuhl auf der Bühne Platz nahm. 20 Musiker*innen eröffneten die Ehrung mit traditionellem Gesang. Danach stellte Moderator Fikade Mandefrew den Priester Kes Lissane vor. Kes Lissane begann jedoch nicht sofort das Gebet. Zunächst wies er seinen Vorsprecher zurecht, der einen falschen Titel in der Anrede benutzt hatte: „Herr Mandefrew hat wohl, in Anwesenheit kaiserlichen Bluts, in mir statt einem Priester einen Papst gesehen.“ Der Saal lachte vergnügt, denn Schlagfertigkeit und Humor werden in diesen Kreisen gerne gesehen. Noch wichtiger aber sind die Verbindungen zum orthodoxen Glauben. Noch bevor Kes Lissane die Anwesenden durch das Gebet leitete, sagte er scherzhaft: „Ein Land braucht nur drei Leute: einen zum Regieren, einen zweiten zum Segnen und einen dritten zum Schießen.“ Humor, den vielleicht nur Menschen aus religiösen Ländern mit repressiven Regierungen verstehen. Ein Witz, dessen reimender Charakter ebenso unübersetzt bleiben muss wie sein Humor.

Weitere Redner*innen erzählten persönliche Anekdoten aus der Deutschen Schule in Addis Abeba, die Asfa-Wossen Asserate in Äthiopien besucht hatte, oder aus der gemeinsamen Tübinger und der Frankfurter Studienzeit. Einige trugen Gedichte vor, andere sprachen über politische Themen von Analyse bis Resignation, aber natürlich immer mit Bezug auf Asfa-Wossen Asserate und seine Beiträge zum Wohlergehen der äthiopischen Gemeinschaft in Deutschland. Dazu gehören seine Spenden an amharische Sprachschulen, seine Schirmherrschaft in der Gesellschaft zur Förderung der äthiopischen Künste oder im MoveForwardProject. Der Galerist Dawit Shanko ging in seiner Rede auf die Bedeutung der offenen und ehrlichen Kommunikation ein: „Mit Ihrer Arbeit und Ihrem Schaffen haben Sie viele Brücken zwischen Deutschland und Äthiopien geschaffen. Brücken, über die ich oft gegangen bin.“ Gegen Ende der Veranstaltung richtete Asfa-Wossen selbst einige Worte an die versammelten Gäste. Mit Anmut und einer eloquenten Ausdrucksweise sprach er mit den Versammelten auf Deutsch und Amharisch.

Die fragile Situation Äthiopiens, die Bürgerkriege und das starke Verlangen nach „Einheit, wie zu Haile Selassies Zeit“ prägten den Diskurs. Anders gesagt, die Atmosphäre war nostalgisch. Und dennoch muss gesagt werden, dass auch hier die Probleme, die Äthiopien plagen, zutage traten. Die meisten Anwesenden sind Teil der Gruppe der Amharen. Die meisten Amharen sind orthodoxe Christ*innen. Die Kaiser Äthiopiens waren zum größten Teil beides. Für manche Gruppen stehen Kaiser und Kirche für Einheit und Frieden, für andere für Verbote und Unterdrückung. Die Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen Äthiopiens sind heute so stark wie noch nie zuvor. In Asfa-Wossen sehen viele Amharen ein Symbol. Ein Symbol für Integration und Integrität. Ein Symbol für ein Exil, das nicht zu enden scheint, denn viele können nicht zurück in ihre Heimat.

Nach Dawit Shankos Rede kam eine Frau an unseren Tisch und erzählte Asfa-Wossen von ihrem Verlangen, wieder in Äthiopien zu leben. Ein Traum, der durch verschiedene Realitäten erschwert wird. Rückkehr war das Motiv der Veranstaltung. Und nichts verkörperte diese Sehnsucht so sehr, wie ein Prinz, der nun länger im Exil lebt als in seiner ursprünglichen Heimat.