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Sechs Geburtstage und ein großes Geheimnis

Von Finn Heuper

Foto von Finn Heuper

Der Titel mag nach einer vorhersehbaren, romantischen Geschichte klingen, doch wer nach leichter, lustiger Lektüre sucht, wird sie in Birthday nicht finden. Meredith Russo erzählt die Geschichte(n) von Morgan und Eric, die am selben Tag zur selben Zeit geboren wurden und seitdem jeden ihrer Geburtstage miteinander verbringen. Über sechs Jahre begleiten die Leser*innen die beiden jeweils an ihrem Geburtstag und erfahren, wie sich die beiden vom 13. bis zum 18. Lebensjahr entwickeln.

Ihre Mutter stirbt, als Morgan 12 Jahre alt ist, ihr Vater ist emotional überfordert und vergräbt sich in seiner Arbeit. Die einzige Person, der Morgan sich anvertrauen könnte, ist ihr bester Freund Eric. Denn außer ihr selbst weiß niemand, dass Morgan ein Mädchen ist. Doch ihre Angst, ihn durch ihr Geständnis zu verlieren und verletzt zu werden, ist zu groß, sodass sie ihr Geheimnis für sich behält. Sie kämpft mit Selbstzweifeln und -hass, da ihr Umfeld im konservativen Tennessee von Homo- und Trans*phobie geprägt ist und sie diese negativen Denkmuster internalisiert. Über die Jahre versucht sie auf verschiedene Weisen ihre Identität zu unterdrücken, leidet aber immer mehr darunter, nicht sie selbst sein zu können. „It’s easy to hold your breath when the surface is right there, and I realize that’s what I’ve been doing. Except now that I’m paying attention, it turns out the surface isn’t there. I’m miles down, so deep light can’t reach, so deep the pressure’s crushing my ribcage, and if I try to swim up, my body will twist into something unrecognizable.“          

Währenddessen stellt Eric seine Sexualität in Frage. Das homophobe Verhalten seines Vaters verletzt ihn, gleichzeitig versucht er, dessen hohen Ansprüchen und den gesellschaftlichen Erwartungen an ihn zu entsprechen. Als ein Vorfall schließlich verschiedene Wahrheiten über sie und ihre Familien ans Licht bringt, werden Morgan und Eric vor die Frage gestellt, wie sie ihr Leben von nun an leben möchten.      

Meredith Russo, die zum Teil eigene Erfahrungen in diesem Roman verarbeitet, schafft eine mitreißende Geschichte, die den Leser*innen immer wieder das Herz bricht und doch Raum für Hoffnung lässt. Durch eine Inhaltswarnung am Anfang wird hervorgehoben, dass die im Roman behandelten Themen (selbstverletzendes und suizidales Verhalten sowie homo- bzw. trans*feindliche Gewalt) potentiell triggernd für Leser*innen sind: Viele Menschen machen ähnliche Erfahrungen wie Morgan und Eric und leiden enorm darunter. Der Roman zeichnet keine idealisierte Welt, sondern zeigt deutlich auf, dass wir immer noch in einer Welt leben, in der nicht alle Menschen die gleichen Rechte und Privilegien haben. Genau aus diesem Grund ist Birthday ein so wichtiges Buch – für Menschen aller Altersklassen: Es sensibilisiert die Leser*innen für stigmatisierte und tabuisierte Themen wie Queerness, Depression und häusliche Gewalt und macht deutlich, dass alle Menschen es verdienen, ohne Angst als ihr wahres Selbst leben zu können.

Meredith Russo, Birthday. A love story eighteen years in the making, London: Usborne 2019.