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We are sorry to lose you.

Von Finn Heuper

„In one precious moment your life can change. You can go from being an only child to a twin brother. You can start running and never stop. You can find your passion. You can almost become an only child again. You can come out of the closet. […] You can meet a boy. You can say goodbye to your future when Death-Cast calls.“

In seinem Roman They both die at the end (2017) erzählt Adam Silvera die Geschichte von Valentino und Orion. Sie begegnen einander an einem in jeder Hinsicht schicksalhaften Abend: Am 30. Juli 2010, an dem um Mitternacht Death-Cast seinen Dienst aufnimmt. Die Firma behauptet, voraussagen zu können, wer innerhalb der nächsten 24 Stunden sterben wird – sofern diese Person registriert ist. Für Orion, der mit seinem kranken Herzen jeden Tag um sein Leben fürchten muss, bedeutet dies unerwartete Sicherheit. Valentino, der gerade erst in New York angekommen ist, um seine Modelkarriere zu beginnen und seine Träume zu verwirklichen, misstraut der Firma jedoch. Wie können die Herolde, die von nun an jeweils um Mitternacht die Todgeweihten, die sogenannten Decker, anrufen werden, sicher sein, dass ihre Informationen stimmen? Woher haben sie sie überhaupt? Und ist es möglich, das eigene Schicksal noch zu ändern, selbst wenn man einen Anruf bekommt? Die Gesellschaft ist gespalten in jene, die an die Vorhersagen glauben, und jene, die es nicht tun. Sollte Death-Cast tatsächlich funktionieren, könnte dies weitreichende Folgen für die gesamte Menschheit haben. Für Orion und Valentino jedenfalls ändert sich alles, als um Mitternacht die ersten Decker ihr Schicksal erfahren.      

Adam Silvera zeigt seinen Leser*innen, wie viel ein einziger Tag bedeuten kann und wie die Leben diverser Menschen ineinander verwoben sind. Durch die wechselnden Erzähler*innen wird deutlich, wie unterschiedlich diese mit dem Tod umgehen: Ein Herold, der den Personen am anderen Ende der Leitung mitteilen muss, dass sie heute sterben werden. Eine Schwester, die verzweifelt versucht, zu ihrem Bruder zu gelangen, der einen Death-Cast-Anruf erhalten hat. Eine Frau, die weiß, dass es höchstwahrscheinlich ihr eigener Ehemann sein wird, der sie töten wird. Und Valentino und Orion, die versuchen müssen, sich in einer Welt zurechtzufinden, die sich durch Death-Cast für immer fundamental verändert hat.

  Die abwechslungsreiche Erzählweise und die wundervoll ausgestalteten Figuren machen diese Geschichte zu einer Reise, auf der die Leser*innen mit vielen Fragen konfrontiert werden, die nicht immer beantwortet werden können. Herzen brechen und Tränen fließen und doch, oder gerade deshalb, ist dieses Buch so lesenswert. Adam Silvera erzählt eine mitreißende Geschichte voller wunderschöner, trauriger und lebensbejahender Szenen. Denn obwohl es in diesem Roman auf den ersten Blick um den Tod zu gehen scheint, drängt sich immer mehr die Frage auf, ob es nicht vielmehr das Leben ist, das im Zentrum der Geschichte steht, und die Frage, wie wir es leben wollen. Die Standardmitteilung der Firma scheint perfekt gewählt: „‚On behalf of Death-Cast, we are sorry to lose you. Live this day to the fullest.‘“

Wem Silveras 2017 erschienener Roman They both die at the end gefallen hat, wird dieses Prequel ebenso lieben wie diejenigen, die erst jetzt von Death-Cast erfahren.

Adam Silvera, The first to die at the end, London: Simon & Schuster 2022.