Von Theresa Matthes
„So wollen schnell losreiten wir“ – unter diesem Motto reiste die Theatergruppe um Professorin Cora Dietl im Zuge einer Exkursion vom 13.–15. Januar nach Bamberg auf eine Tagung an der Otto-Friedrich-Universität. Dietl ist Literaturhistorikerin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Unter ihrer Regie lassen Studierende mittelalterliche Dramen wieder aufleben. So auch seit acht Jahren auf dem literaturgeschichtlichen Treffen des Nachwuchskolloquiums „BaBaGiCheKaBra“. Dieses ist ein interdisziplinärer Gedankenaustausch der Universitäten Bamberg, Bayreuth, Gießen, Chemnitz, Karlsruhe und Braunschweig. Junge Forschende können dort ihre aktuellen Projekte vorstellen und sich vernetzen. Darunter auch Mitglieder von Dietls Team. Organisiert wird die Veranstaltung von Professorin Ingrid Bennewitz, die Germanistin an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ist.
Nachwuchsförderung in Bamberg: Die Mittelalterforschung bleibt jung
Das interdisziplinäre Nachwuchskolloquium „BaBaGiCheKaBra“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, Nachwuchsförderung zu betreiben. Dafür veranstaltet es eine jährlich stattfindende germanistische und historische Tagung. Dort wird jungen Abschlusskandidierenden, angehenden Doktorand*innen und Kolleg*innen die Möglichkeit geboten, aktuelle Forschungsvorhaben, Werkstattberichte, Dissertationsprojekte oder auch Hausarbeiten einem „wohlwollenden und aufmerksamen Publikum“ vorzustellen, so Professorin Bennewitz. Sie können dabei durch Austausch und Nachfragen neue Anregungen erhalten. Nicht nur Dozierende und Professor*innen sitzen im Publikum und bieten ihre fachliche Unterstützung an, auch Studierende verschiedener Studienrichtungen kommen hier miteinander ins Gespräch. Dadurch können sie zu anderen Universitäten Kontakt aufbauen.
Die Tagung: Gießener Nachwuchsforscherin beeindruckt die Zuhörer*innen
Am Freitagnachmittag hieß Bennewitz alle Teilnehmenden, darunter neue Gesichter des akademischen Nachwuchses und viele Interessierte, herzlich willkommen. Das Thema lautete „Willkommen und Abschied. Ritualisierung und Funktionalisierung von Begegnung im Mittelalter“.
Noch am selben Tag stellte Karina Fischer ihre Analysen zum Motiv des Abschieds dar. Fischer ist eine der Theaterteilnehmer*innen aus Gießen und trägt öfter für das Nachwuchskolloquium vor. Gegenstand ihrer Arbeit sind die Liebesbriefe in „Wilhelm von Österreich“ von Johann von Würzburg. Dessen Protagonisten Wilhelm und Aglye werden immer wieder damit konfrontiert, sich von ihrer gemeinsamen schriftlich geschaffenen Minnewelt zu verabschieden. Letztlich finden die Zwei doch wieder zueinander, ehe sie zum Schluss endgültig durch den Tod getrennt werden. Fischers Performance überzeugte das Publikum nicht nur durch die Dramatik im Werk, sondern auch dank der gelungenen Vortragsweise – die im Übrigen genau in solchen Nachwuchsforen geprobt werden kann. Auch die zweite aus Gießen angereiste Vortragende Christina Möller stellte am Folgetag ihr Thema vor.
Das Wochenende schritt fort mit verschiedenen Beispielen mittelalterlicher Texte, die teils unter dem diesjährigen Tagungsthema verortbar waren, teils davon abwichen. Laut Bennewitz wurde letzterer Gruppe der Alternativbeiträge aber auch einladend begegnet und das Interesse für Mediävistik, die Mittelalterforschung, wurde im gesamten Publikum geweckt. Es blieb dramatisch und spannend durch viele gute Beiträge.
Fester Tagungspunkt: Das Ensemble der JLU-Mediävistik reist mit neuem Stück an
Ein Teil der Tagungstradition sind seit dem Wintersemester 2014/15 die Bühnenwerke unter der Regie von JLU-Professorin Dietl. Ein Vorhaben, welches auch in die 14. Veranstaltung des Kolloquiums 2023 ins Programm einfloss. So wollte sich die bunt gemischte, elfköpfige Theatergruppe aus Gießen laut Spieltext „nicht lang säumen auf den Straßen“ und in diesem Jahr vom 13.-15. Januar nach Bamberg reisen. Einer Stadt, die sich mit einem der schönsten und besterhaltenen Altstadtviertel rühmt. Im Gepäck hatten die teils mit Creditpoints, teils freiwillig Teilnehmenden „Hanns Wagners Dreikönigsspiel“, welches hier zum dritten und letzten Mal aufgeführt wurde. Dies stellte den Abschluss eines eher ungewöhnlichen und spannenden Seminars mit dem Ansatz „learning through performance“ – Lernen durch Vortragen – dar.
Highlights: Ein Vortrag zu Kriegsklängen im Mittelalter & Gießener Schauspiel begeistern
Zu den Highlights zählte laut einigen Privatnachfragen ein Vortrag aus Chemnitz. Dieser versuchte, anhand historiographischer und literarischer Texte die Frage zu beantworten, wie Krieg im Mittelalter klang. Gerade die originelle Themenwahl begeisterte, denn Literatur wurde hier auf neue Art greifbar gemacht und lud ein, sich mehr durch Texte vorzustellen.
Zum anderen wurde das Gießener Theaterstück als Highlight der Studierenden bewertet. Den Abschluss der Tagung bildend stellte sich dieses als Fastnachtsspiel vor, was den Blick auf ein gesellschaftliches Problem lenkt. So wird die Tyrannei des Königs Herodes durch die Ankunft des Messias infrage gestellt. Einer Prophezeiung und dem Entdecken eines Kometen am Himmel folgend machen sich die heiligen drei Könige Caspar, Balthasar und Melchior mit einigen Sterndeutern, ähnlich dem Vorbild des örtlichen Bamberger Reiters, im Spieltext „schnell losreitend“ auf den Weg, um in Judäa nach Auskunft zu verlangen. In Rücksprache mit seinen Senatoren und Schriftgelehrten schickt Herodes die Gäste nach Bethlehem und bittet bei deren Rückkehr um Berichterstattung. Während ihrer Abreise plant er eine grausame List, um seine Herrschaft zu sichern. Gemildert wurde diese sorgenreiche Aussicht nur durch den lustigen Auftritt des Narren. Auftakt und Ende des Stückes wurden in Originalsprache aufgeführt, der restliche Spieltext war annähernd ins Standarddeutsche übertragen.
Der Applaus für die dramatische Aufführung blieb nicht aus und stellte einen gelungenen Abschluss der Tagung dar. Die nächste ist bereits für Januar 2024 in Karlsruhe angekündigt. Hier sollen dann „Utopie, Idylle und Zukunft“ zum Thema werden, womit man sich wieder eine zahlreiche Teilnahme des jungen akademischen Nachwuchses erhofft.