Gottes Töchter tragen ihre Argumente vor (v.l.n.r. Louis Hergenhahn, Luca Marie Merkle, Katharina Schneider, Evelyn Janetzky, Zoë Langner, Samira Sippel) Foto: Alexander Pelz

Von Isabelle Zoë Langner

Auch im Wintersemester 2024/25 gab es wieder eine Germanistik-Theatergruppe unter Prof. Cora Dietls Leitung. Veit Garlebens „Sündenfall“, die Backstory der Weihnachtsgeschichte, beschäftigte uns in diesem Jahr. Die Studierenden stammten aus ganz verschiedenen Studiengängen: Komparatistik, Germanistik auf Lehramt, Angewandte Theaterwissenschaft und Liberal Arts & Sciences waren vertreten. Nach einer intensiven Probenzeit kamen unsere Aufführungen in Grünberg und Gießen sehr gut an. Unsere Derniere (letzte Aufführung) sollte Mitte Januar in Karlsruhe beim Mediävistischen Kolloquium der Universitäten Bamberg, Bayreuth, Gießen, Chemnitz, Karlsruhe und Braunschweig, kurz „BaBaGiCheKaBra“, stattfinden.  

Nach einer vernebelten Fahrt von Mittelhessen ins Badener Land kam unsere Reisegruppe mit leichter Verspätung im Prinz-Max-Palais in Karlsruhe an. Das Museum für Literatur lud ein zur Eröffnungsveranstaltung des Kolloquiums. Die verschiedenen Vorträge und Programmpunkte fanden unter dem Motto „Utopieentwürfe, Idyllen und loci amoeni im Mittelalter“ statt.  

Illustration von Ekkehard und Originalmanuskript Scheffels.
Foto: Zoë Langner

Im Museum für Literatur, das mehr einem Archiv als einer kuratierten Ausstellung glich, trafen nun die Teilnehmenden zum ersten Mal aufeinander. Den Auftaktinput gaben die Karlsruher Professoren mit einer Einführung zu Scheffels „Ekkehard“ und der Präsentation der dazugehörigen Originalausgabe. Beeindruckend, ein 200 Jahre altes Manuskript in den eigenen Händen gehalten zu haben und die Notizen dieses unbekannten Zeitgenossen Goethes und Schillers selber zu entziffern.  

Scheffel verarbeitete in seinem Hauptwerk zeitgenössische wissenschaftliche Erkenntnisse und probierte, diese in seinem sogenannten Professorenroman auf populäre Weise an die Bevölkerung zu bringen. Offenbar mit vollem Erfolg, Ekkehard wurde zum Bestseller. Seine Romane prägten die Wilhelminische Zeit und das neu aufkommende deutsche Nationalbewusstsein maßgeblich. Gespannt lauschten wir dem Fachwissen und merkten langsam, dass das Rahmenthema mehr eine Empfehlung als eine thematische Bindung darstellen sollte.  

Nach der Einführung im Museum ging es auch direkt weiter ins Gastdozentenhaus des KIT. Christina Möller aus Gießen machte mit ihrem Vortrag den Anfang. Sie stellte ihre Forschung zu Rudolf von Habsburg vor, wobei sie die chronikalen Überlieferungen und die Darstellungen dieses Herrschers besonders interessierten. Ein besonders kurioses Ereignis war Rudolfs Bierzug durch die Erfurter Innenstadt, bei dem er einen 2-5 Liter großen Bierkrug auf seinem Pferde reitend, austrank. Die Überlieferungen der Größe des Krugs unterscheiden sich wohl, dennoch blieb Rudolf dadurch als volksnaher, gelassener Herrscher in den Köpfen der Menschen. Das stand im Kontrast zu seiner Realpolitik zu der Zeit, als er 60-70 Burgen im Umland zerstören und Raubritter vor den Toren der Stadt enthaupten ließ.  

Durch den Vortrag lernten wir: Die Geschichte gehört wohl immer denen, die sie schreiben, und denen, die die Schreiberlinge finanzieren. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, verloren gegangene Nuancen wieder herauszugraben.  

Nach dem ersten Vortrag verabschiedete sich unsere Theatergruppe schon vom Rahmenprogramm, um eine Stellprobe für die Aufführung am nächsten Tag zu machen. Das Foyer des Mathematikgebäudes am KIT sollte unsere Bühne sein. Das Foyer war geprägt durch seine Gießen-esquen Löcher im Boden und mutet ans Elefantenklo an, wir fühlten uns direkt wohl.  

Zwei Kugeln aus Stein standen im Foyer, die sich hervorragend als Spielorte für unsere Teufel anboten. Nach einigen Orientierungen entschieden wir uns, im Licht zu spielen und die verschiedenen Stockwerke des Gebäudes mit einzubeziehen.  

Abends genossen wir die Aussicht aus dem 8. Stock des Hotels und der Anreisestress wurde auskuriert. Sektion „Schiene“ unserer Gruppe unterlag der Kompetenz der DB und verbrachte zuvor unfreiwillig ein paar extra Stunden in der Regionalbahn. Um 20 Uhr trafen sich dann alle Teilnehmenden der Konferenz wieder zum Essen am Marktplatz, beim Lokal „Wilma Wunder“. Dank der großzügigen Spende des Freundeskreises des Museums Grünberg blieben keine Mäuler hungrig und alle begaben sich glücklich und gesättigt wieder auf den Rückweg zum Hotel. Denn der Samstag würde ein langer Tag werden.  

Am Samstag ging es um 9:00 schon weiter mit den Vorträgen. Anna Zuth (ebenfalls aus Gießen) forschte für ihre Bachelorarbeit zur Ansiedlung der Hugenotten in der Grafschaft Solms-Greifenstein (heute Braunfels). Ludwig XIV. verbot 1685 die Ausübung des reformierten Glaubens und erklärte den Katholizismus zur Staatsreligion. Infolge dieses Edikts von Fontainebleau flohen viele Hugenotten aus Frankreich und suchten sich neue Orte, an denen sie leben konnten. Der Fall Daubhausen-Greifenthal ist besonders spannend, da der Graf seine eigene Siedlung räumen ließ, um die Hugenotten unterzubringen. Sie brachten ihre eigenes Handwerk mit und konnten ihre eigene Kultur frei ausleben, solange die Gemeinde einen „Freiheitsbetrag“ von 800 Gulden an die Grafschaft zahlte. Bis heute hat die Ansiedlung der Hugenotten Auswirkungen auf die Region, wenn auch viele Bräuche und Traditionen langsam in Vergessenheit geraten sind. Vereine wie der Hugenotten-Freundeskreis oder das Hugenottenmuseum Daubhausen sorgen heute dafür, dass die Erinnerung bewahrt wird.  

Adam und Eva vor Gericht. Diabolus als Kläger
(v.l.n.r. Laura Puhze, Katharina Schneider, Evelyn Janetzky, Samira Sippel, Judith Falentin, Tobias Redant, Lotte Schäfer, Cora Dietl),
Foto: Alexander Pelz

Abends führten wir nach einer Einführung von Cora Dietl unser Theaterstück auf. Es war ein voller Erfolg, durch die Lokalität der Aufführung stießen sogar weitere Zuschauer spontan dazu. Im Anschluss ging es dann in die sogenannte Höpfnerburg, wo wir an zwei langen Tafeln ein erfolgreiches Wochenende ausklingen ließen.  

Die Theatergruppe bei Cora Dietl können wir allen ans Herz liegen, die Interesse an Theaterspiel und einem originellen Textzugang in der Germanistik haben. Die vielleicht für einige verstaubt wirkende Mediävistik zeigte in diesem Seminar mit Kolloquium das Gegenteil: Viele junge Menschen sind interessiert an diesen Texten und Untersuchungsgegenständen, man muss ihnen nur die Möglichkeit dazu geben.