Von Katharina Lichtblau

Frohnhausen, Schule am Brunnen. Nach einem langen Weg von der „Grundschule am Brunnen“ in Frohnhausen (Lahn-Dill-Kreis) über den Pausenhof der etwas abgelegenen Realschule erreichen die Mädchen und Jungen die Mediothek. Hier erwartet sie ein moderner, großer Saal mit bequemen roten Sesseln und ganz vielen Büchern. Lehrerin Ute Bach heißt die Schüler*innen willkommen. Sie ist hauptverantwortlich für Organisation und Angebot. Die Medien sind nach Kategorien sortiert in Regalen an den Wänden zu finden. Die Leseratten können zwischen Kinderbüchern wie „Der kleine Drache Kokosnuss“, aber auch Jugendromanen (wie „Die drei ???“) und unterrichtsbegleitender Literatur stöbern, die Zeit vergessen und wie in jeder Mediothek auch Lektüre ausleihen.

„Der Weg ist ein Klacks für uns!“

Für Außenstehende mag der Weg über den Hof „der Großen“ hin zur Mediothek wie eine verwinkelte Weltreise wirken. Doch die Grundschüler*innen sehen dies anders. „Der Weg ist ein Klacks für uns!“, berichtet eine Schülerin. „Und außerdem freuen wir uns auf die Bücher“, ergänzt ein Schüler. In jeder zweiten Hofpause dürfen sie von ihrem Gebäude in das der Realschule wechseln. Eine kleine Reise beginnt: zuerst zwei Treppenabsätze herunter, dann scharf links abbiegen, einen langen Gang entlang und noch einmal nach rechts. Den kleinen Leser*innen scheinen diese Ausflüge sichtlich Freude zu bereiten. Am Eingang der Mediothek werden die Jacken ausgezogen und eventuell mitgebrachte Speisen und Getränke vor der Tür gelassen. Nun beginnt das Schmökern.

„Das Bücherangebot wird innerhalb des Schülerparlaments festgelegt.“

Hier macht sich die Arbeit von Ute Bach bemerkbar. Jede Schülerin und jeder Schüler besitzt eine Chipkarte, mit der man die Bücher entleihen oder zurückgeben kann. Innerhalb des Schülerkontos kann, wie in einer öffentlichen Mediothek, nachvollzogen werden, welches Kind was und wie lange ausgeliehen hat. „Das Angebot wird innerhalb des Schülerparlaments festgelegt“, berichtet Bach. Dort stellt sie Bücher vor und die Abgeordneten entscheiden gemeinsam, welche Medien in den Lesesaal Einzug halten. „Ich mag es, dass wir mitentscheiden dürfen, was in die Mediothek kommt. So haben wir immer gute Bücher“, beschreibt ein Viertklässler. Die Kosten werden durch das „Informations- und Mediennetzwerk für Schulen“ (IMeNS) übernommen, einer freiwilligen Dienstleistung des Lahn-Dill-Kreises, die mehr als 80 Schulmediotheken und sieben öffentliche Bibliotheken umfasst. IMeNS betreut den Warenservice an Bildungseinrichtungen und unterstützt diese bei Fragen rund um die Bücherausleihe und Anschaffung. Mittels der Chipkarten-Kennung und eines Ausleihkontos können Lehrer*innen, Kinder und sogar Eltern online die angebotenen Medien recherchieren. Die Nutzung ist kostenlos. Ein Zugang wird in den meisten Fällen durch die Schulen verteilt, kann aber auch online durch Privatpersonen beantragt werden. „Auch in anderen Landkreisen gibt es ähnliche Unterstützungsangebote“, bestätigt Bach. In Gießen heißt dieses „Mauszentrum“ und erfüllt ähnliche Aufgaben wie das IMeNS.

„Gerade hier bei uns ist eine Mediothek sehr bedeutend für die Schüler und Schülerinnen.“

Obwohl es laut dem deutschen Bibliotheksverband schon in 2017 in Hessen mehr als 400 öffentliche Bibliotheken gab, stehen viele kleine Orte vor dem Problem, keinen Verleihort zur Verfügung zu haben. Innerhalb einer ihrer Studien veröffentlicht der Verband ein ernüchterndes Ergebnis: Was Bibliotheken angeht, ist der Lahn-Dill-Kreis schlecht versorgt. Dies ist einer der Gründe, warum Bach sich für ein gutes Angebot einsetzt. „Gerade hier bei uns ist eine Mediothek sehr bedeutend für die Schüler und Schülerinnen“, sagt sie und fügt an: „Viele Kinder haben durch die Schule das erste Mal Kontakt mit Büchern. Gerade im heutigen Zeitalter von Onlinemedien ist eine schulinterne Lesestätte eine gute Gelegenheit, den Grundschülern Lesespaß näher zu bringen.“ Auch benachteiligte Kinder profitieren von dem kostenlosen Angebot. Die Möglichkeit, die Medien mit nach Hause zu nehmen, verstärke die Leselust. So erklärt eine Drittklässlerin: „Wir dürfen die Bücher zwei Wochen ausleihen. Das ist gut, dann kann ich zu Hause in Ruhe lesen. Und reicht die Zeit mal nicht, kann ich das Buch nochmal verlängern lassen.“ Die „Schule am Brunnen“ setzt das Medienkonzept schülergerecht um. So sind die Leseräume innerhalb vieler Lehreinrichtungen mit regelmäßigen Lesestunden oder ähnlichen Aktivitäten fest im Schulablauf der Kinder integriert, berichtet Bach.

Die Verknüpfung von Stundenplan und Leseangeboten ist nicht zufällig an vielen Schulen gleichzeitig entstanden. So werden unter anderem auch an der hier beschriebenen Bildungseinrichtung zwei Stunden in der Woche freigehalten, um gemeinsam die Mediothek zu besuchen. „Vor ein paar Jahren wurde das Internet auch für die Grundschüler zugänglich. Wir haben bemerkt, dass viele Kinder hierdurch Probleme haben sich längere Zeit auf Aufgaben zu konzentrieren. Durch unser Angebot können wir die Kinder sanft zum Lesen ´hinschieben´.“ Dies lässt sich zumindest an der „Schule am Brunnen“ beobachten. Viele Kinder nehmen das Leseangebot mit Freude an. Bachs Appell: „Lesen muss wieder ein fester Bestandteil des kindlichen Alltags werden!“, bringt die Wichtigkeit von Mediotheken an Grundschulen auf den Punkt.

Einen Einblick in die Mediothek findet ihr unter: https://www.goldbachschule.de/schulprofil/mediothek/