Von Carlotta Neffgen
Zwischen bunter Deko mit Kissen, Girlanden und einem projizierten Comicbild auf der Leinwand nimmt Christopher Tauber Platz. Die Graphic-Novel-Lesung am 26. Juni in der Stadtbibliothek verband Text und Bild eindrucksvoll miteinander und zeigt einmal mehr, wie vielseitig auch das diesjährige Bilderbuchfestival aufgestellt ist. Hinter ihm flackert ein Szenenbild seiner neuesten Graphic Novel „Justus Jonas: eine Interpretation“. Vor ihm hat sich ein generationenübergreifendes Publikum versammelt, von Teenagern bis hin zu Erwachsenen, die „Die drei ???“ noch aus ihrer eigenen Kindheit kennen. Tauber beginnt mit ruhiger Stimme zu sprechen. Und plötzlich fühlt es sich wie ein Hörspiel mit Live-Performance an.
Mit „Justus Jonas“ präsentierte der Frankfurter Comiczeichner, Autor und Lektor Christopher Tauber seine zweite Graphic Novel zur Kultserie „Die drei ???“. Nach „Rocky Beach“, einer Hommage an die kalifornische Heimatstadt der ???-Detektive, widmet er sich in seiner neusten Veröffentlichung Justus Jonas, dem analytischen Kopf und ersten Detektiv der Bande. Der Titel „Justus Jonas: Eine Interpretation“ macht deutlich, dass es sich nicht um ein klassisches Detektivabenteuer handelt, sondern um eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Anführer der „drei ???“. Statt jugendlichem Rätselraten geht es nun um die Erwachsenenperspektive, bei der folgende Fragen ideenstiftend waren: Was passiert mit den „drei ???“, wenn sie keine Teenager mehr sind? Was bleibt von Kindheitshelden, wenn ihre Leserinnen und Leser selbst erwachsen geworden sind? Tauber erzählt in „Justus Jonas: eine Interpretation“ eine neue Geschichte oder vielmehr viele Geschichten in einer. Seine Hauptfigur ist älter geworden, etwa 18 oder 19 Jahre alt, und lebt in einer Welt der 1990er-Jahre, irgendwo zwischen Schrottplatz, Skatepark und Schulabschluss. Es gibt einen Zeitsprung, denn ursprünglich waren die „drei ???“ etwa 13 bis 14 Jahre alt. Die Gruppe hatte sich längst aufgelöst, doch durch einen Vorfall kreuzten sich die Wege der Detektive erneut. Immer wieder springt der Plot in die Vergangenheit zurück, bis ins Jahr 1962, dem Gründungsjahr der „drei ???“. Dabei tauchen viele bekannte Figuren wieder auf: Onkel Titus, Tante Mathilda, natürlich Peter Shaw und Bob Andrews. Trotz des neuen Blickwinkels bleibt das Fundament der Serie spürbar: Freundschaft, Neugier, Gerechtigkeitssinn und natürlich ein ungelöstes Rätsel.
Tauber hat zuletzt gemeinsam mit Calle Claus an der Graphic Novel „Die drei ??? – Hotel Bigfoot“(2023) gearbeitet. Noch im Juli 2025 bringt er „Die drei ??? – Phantom Highway“ (2025) auf den Markt. Alle erscheinen im Kosmos-Verlag, wie auch die Kult-Buch-Serie. Für „Justus Jonas: eine Interpretation“ lieferte Tauber die Text- und Konzeptidee, während die Illustrationen der Graphic Novel von Marius Pawlitza stammen. „Ich wollte bewusst etwas Neues ausprobieren und diesen Part abgeben“, erklärt Tauber zu seiner Entscheidung.
Die Zuhörenden wurden tief in die Geschichte hineingezogen, denn Tauber untermalte seinen Vortrag eindrucksvoll mit Mimik, Gestik und gezielten Soundeffekten, während auf der Leinwand neben ihm die passenden Szenen aus der Graphic Novel zu sehen waren. Man hörte kaum ein Flüstern im Raum, so aufmerksam folgte das Publikum der Performance.
Am Ende beantwortete Tauber dem Publikum nicht nur Fragen zur Entstehung des Buches, sondern gewährte auch persönliche Einblicke in seinen kreativen Prozess. Sein Protagonist fasziniert ihn besonders, denn: „Justus ist nicht nur der Gründer der „drei ???“, sondern auch eine tragische Figur. Seine Eltern sind früh gestorben, er lebt bei seiner Tante und seinem Onkel auf dem Schrottplatz. Und doch ist er ein kluger, belesener junger Mann, fast ein Wunderkind. Diese Ambivalenz reizt mich.“ Zudem verriet Tauber, dass ein weiterer Band zur Figur Peter Shaw bereits in Arbeit sei und 2026 erscheinen werde. Mit Bob Andrews habe er auch noch was vor. Er wird Drehbuchautor, eine Parallele zu Tauber selbst, der in verschiedenen medialen Formaten arbeitet und privat am liebsten Mangas liest. Auf die Frage, ob eine Vertonung seiner Graphic Novels mit den Originalsprechern geplant sei, sagte er mit einem Augenzwinkern: „Ich fände es großartig, aber aktuell weiß ich von keiner konkreten Planung.“
Auch seine Lieblingsfolgen der „drei ???“ verriet Tauber: Zum Lesen empfiehlt er „Die rätselhaften Bilder“ (Folge 16), zum Hören bevorzugt er „Spuk im Hotel“ (Folge 62), „Poltergeist“ (Band 73) und „Tal des Schreckens“ (Folge 98). Letztere habe für ihn einen besonderen Kindheitserinnerungswert: „Ich kenne nur Teil A – bei Teil B bin ich als Kind immer eingeschlafen. “Wer dachte, „Die drei ???“ seien ausschließlich ein Format für Kinder, wurde an diesem Abend eines Besseren belehrt. Die Graphic Novel „Justus Jonas: eine Interpretation“ zeigt, wie viel erzählerisches Potenzial in der Weiterentwicklung ikonischer Figuren steckt und wie stark Bilder, Text und Stimme gemeinsam wirken können.