Von Ileyda Bingöl

Gießen. Wer an der Justus-Liebig-Universität Gießen studiert, kommt um sie kaum herum: die Universitätsbibliothek (UB) am Philosophikum I in der Otto-Behaghel-Straße 8. Sie ist Rückzugsort, Arbeitsplatz und sozialer Treffpunkt. Doch wie gut eignet sie sich tatsächlich als Lernort? Antworten geben Studierende und die Bibliothek selbst.

Die UB punktet auf den ersten Blick mit großzügigen Öffnungszeiten: Montag bis Sonntag ist sie von 07:30 bis 23:00 Uhr geöffnet. Dazu kommt eine durchdachte Zoneneinteilung: stille Bereiche für konzentriertes Arbeiten, leise Zonen für Gruppenarbeit in buchbaren Räumen sowie kommunikative Bereiche wie das Learning Lab oder die cUBar. Frau Golebiowski, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der UB, erklärt: „Die Bibliotheksräume sind ein wichtiger Baustein des hybriden Campus. Als physischer und sozialer Raum und gleichzeitig digitale Infrastruktureinrichtung zählen sie zu den zentralen Lernorten der Studierenden.“ Student L. lobt diese Vielfalt: „Ich finde es super, dass man je nach Bedarf wählen kann. Ob ganz ruhig oder eher kommunikativer.“ Auch Studentin M. betont, dass die UB „ruhiger als zuhause“ sei und sie sich dort „sicher“ fühle.

Wo Motivation herrscht, gibt es oft auch Ablenkung. Studentin S. erzählt: „Alle Freunde sind da. Das ist schön, aber man lässt sich auch leichter ablenken.“ Auch Studentin M. bestätigt: „Die Pausen dauern manchmal zu lang, weil man einfach zu viel redet.“ Trotz dieser Ablenkungen fällt es vielen Studierenden leichter, in einer lernorientierten Umgebung zu arbeiten. Studentin S. schwärmt: „Selbst wenn man unmotiviert ist, motiviert es einen sofort, wenn man dort sitzt.“ Und Studentin A. betont: „Man fühlt sich gezwungen zu lernen, weil alle um einen herum es auch tun.“ Diese Lernatmosphäre zieht viele Studierende an. Doch wo viele zusammenkommen, wird der Platz knapp. Die Universitätsbibliothek verfügt aktuell zwar über 624 Lern- und Arbeitsplätze, doch vor allem in der Klausurenphase im Wintersemester von Januar bis Februar und im Sommersemester von Juli bis August reicht das häufig nicht aus. „Oft verbringt man mehr Zeit damit, einen Platz zu suchen, als zu lernen“, klagt Studentin S. Auch Student L. bestätigt: „In der Prüfungszeit ist es fast unmöglich, einen Platz zu finden.“ Laut Frau Golebiowski ist die UB inzwischen fast das ganze Jahr über gut besucht: „Es gibt kaum noch schwach frequentierte Zeiten.“

Ein zusätzliches Problem stellen außeruniversitäre Besucher*innen dar, besonders rund um die Abiturprüfungen oder Realschulabschlüsse. „Zu viele außerstudentische Personen übernehmen die Plätze und reservieren teilweise für viele weitere Leute“, kritisiert Studentin S. Auch Student L. merkt an: „Es sind einfach zu viele Leute da. Jeder quetscht sich irgendwo rein.“ Auch beim Thema Parken zeigt sich der Platzmangel. „Es gibt einfach zu wenig Fläche für die Autos“, sagt Student L. Studentin M. ergänzt: „An manchen Tagen muss ich so weit weg parken, dass ich zehn Minuten bis zur UB laufen muss.“

Doch es gibt Hoffnung: Direkt neben der bestehenden Universitätsbibliothek entsteht seit 2024 eine neue Zentralbibliothek. Diese soll voraussichtlich 2026 eröffnen und 618 neue Lernplätze schaffen. Auch innerhalb der bestehenden UB sind Verbesserungen geplant. „Weitere Räumlichkeiten sollen so umgestaltet werden, dass sie sich sowohl für die Einzel- als auch für die Gruppenarbeit eignen“, erklärt Frau Golebiowski. Ziel sei es, ein breites Angebot an unterschiedlichen Arbeitsplätzen zu schaffen, um möglichst vielen Lernbedürfnissen entgegenzukommen.

Für viele bleibt die UB ein wichtiger Ort. „Viele Studierende schätzen die Bibliotheksräume, da die Atmosphäre inspirierend wirkt“, sagt Frau Golebiowski. Auch Studentin S. erzählt: „Lernen wird zu einer Aktivität. Man geht gemeinsam hin, macht zusammen Pause, isst gemeinsam. Dadurch hält man länger durch.“ Studentin M. beschreibt den Austausch mit Kommiliton*innen als großen Vorteil: „Man kann andere nach Hilfe fragen, das bringt viel.“ 

Die Universitätsbibliothek Gießen erfüllt vieles, was Studierende von einem modernen Lernort erwarten: Sie ist strukturiert, vielseitig nutzbar und motivierend. Doch sowohl Studierende als auch die Bibliothek selbst sehen Verbesserungsbedarf – vor allem beim Platzangebot, der Überfüllung, der Zugänglichkeit und der hohen Auslastung durch externe Besucher*innen. Trotzdem bleibt die UB für viele ein unverzichtbarer Teil ihres Studienalltags. Oder, wie Studentin A. sagt: „Man fühlt sich gezwungen zu lernen“ – und manchmal ist genau das entscheidend.