Von Julia Ackermann
Ob in den sozialen Medien, in der ARD Mediathek oder in diversen Zeitungen: Kafka schafft es, überall Aufmerksamkeit zu erregen. Für viele ist er der prägendste Schriftsteller. Auch wenn verschiedenste Bilder in Bezug auf den Autor existieren, steht fest: Kafka ist definitiv im Hype!
Sein hundertster Todestag jährte sich am 3. Juni 2024 und lädt dazu ein, das literarische Erbe in den Mittelpunkt zu rücken. Zu Lebzeiten wurde nur ein kleiner Teil seiner Werke veröffentlicht. Kafkas alter Freund Max Brod rettete seine Manuskripte entgegen dessen Willen, veröffentlichte sie und machte sie so für die Nachwelt zugänglich. Die meisten dieser Schriften lassen sich in den Gesammelten Werken Kafkas lesen, die als preisgünstige Ausgabe im Anaconda Verlag veröffentlicht worden sind. Sie wurde bereits 2012 herausgegeben, jedoch Ende 2023 aktualisiert. Das Cover ist schlicht gehalten, dafür aber in einem relativ knalligen Rot. Der Verlag verzichtete auf ein aufwendiges Design und druckte den jungen Kafka sowie den Titel des Buches in goldenen Verzierungen auf.
Auf insgesamt 1005 Seiten bietet die Ausgabe einen umfassenden Einblick über die Werke des Autors und ist in drei Schwerpunkte unterteilt: Zuerst findet man die von Kafka veröffentlichten Bücher, dann die zerstreut publizierten Werke Kafkas sowie anschließend die von Max Brod herausgegebenen Erzählungen.
Kafka, ein humorbegabter Sonderling
Besonders populär waren die sechs Folgen der ARD-Serie Kafkas. Es genügt schon, ein paar Minuten der Serie zu schauen oder sich die Berichte der Medien darüber anzusehen, um zu erkennen, dass ein ganz anderes Verständnis von Kafka entwickelt wird. Gezeichnet wird ein positiveres und glücklicheres Bild, das sich vom der gewohnten Negativsicht deutlich abhebt. Der Schriftsteller pflegte viele Freundschaften, hatte Liebesbeziehungen und war ein sehr humorvoller junger Mann. Judith von Sternburg berichtet im März in einem Artikel der Frankfurter Rundschau über den Prager Kreis, in dem er sich sehr wohl fühlte und wo er für ihn wichtige Menschen kennenlernte. Auch werden einige leidenschaftliche Beziehungen, wie die zu Felice Bauer, Milena Jesenská oder Dora Diamant thematisiert.
Auch auf “BookTok“ teilen hunderttausende die Leidenschaft zu Kafka und seinen Werken. Viele Nutzer*innen der Plattform TikTok, die bereits eine größere Auswahl gelesen haben, teilen das bekannte Kafka-Bild und verweisen auf die düstere Atmosphäre mit Themen wie Entfremdung oder Isolation. Unter #Kafka findet man viele Nutzer*innen, die angeben, sich mit dem Schriftsteller zu identifizieren.
„Das Kafkaeske ist der verzweifelte Kampf mit sich selbst“
Die israelische Autorin Zeruya Shalev schreibt in einem Artikel für den Spiegel ihre persönliche Bindung zu dem Jahrhundertautor. Seine Werke seien dunkel, labyrinthisch und in viele Richtungen ausdeutbarzu deuten. In ihrer schwersten Zeit habe sie durch ihren Vater, der ihr und ihrem Bruder gerne vorlas, von dem Autor erfahren:. „Und vielleicht war es letztlich Kafka, der mich gerettet hat. Ausgerechnet er, der am Ende aller Wege erkannte, dass es keinen Ausweg gab.“ Ähnlichen Aussagen, beispielsweise „Kafkas Werke heilen“ oder „Franz Kafka ist Therapie“, begegnet man auf tausenden Videos in den sozialen Medien. Xaver von Cranach thematisiert in seinem Spiegel-Artikel einige Zitate Kafkas aus den von Brod veröffentlichten Tagebüchern. „Geschlafen, aufgewacht, geschlafen, aufgewacht, elendes Leben“ oder „Unfähigkeit zu schreiben“ zeigen Kafkas depressive Tendenzen, die aber gerade bei vielen Leser*innen auf Resonanz zu stoßen scheinen.
Kafkas Meisterwerke kompakt
Die Anaconda-Ausgabe der Gesammelten Werke Kafkas ist insgesamt kurz gehalten und beschränkt sich auf die verschiedensten Erzählungen. Ein Vorwort, eine Vorstellung Max Brods oder der Lebenslauf Kafkas sowie weitere Informationen über den Autor und sein Leben wären wünschenswert gewesen. In dem Band „Sämtliche Werke“ des Suhrkamp Verlags finden sich hingegen auch noch journalistische, essayistische und autobiographische Schriften und Aphorismen sowie das Nachwort „Kafkas private Weltgeschichte“ von Peter Höfle. Dennoch bietet Anaconda für einen Preis von 12,95€ ein umfassendes Paket Kafkas und ist deshalb eine klare Kaufempfehlung. Egal, ob Einsteiger*in oder jahrelange Anhänger*in, die Ausgabe umfasst die bekanntesten, aber auch einige unbekannte jedoch lesenswerte Werke.
Franz Kafka – Gesammelte Werke. Anaconda Verlag. 1008 Seiten. 12,95 Euro. ISBN 978-3-86647-849-7