Von Kim Tapper

„Sie sagen meine Haare sind nicht normal. Und meine Haut ist hässlich. Und braune Kinder riechen schlecht“, sagte der dreijährige Sohn von Tupoka Ogette zu seiner Mutter auf dem Spielplatz. Ein trauriges Beispiel für Rassismuserfahrungen, die Menschen weltweit jeden Tag erleben. Aber wie geht man als Mutter damit um? Ogettes klare Antwort auf diese Frage manifestiert sie in zwei Sätzen. „Ich bin wichtig. Ich bin richtig!“ Diese Worte schrie sie gemeinsam mit ihrem Sohn laut und voller Inbrunst noch auf dem Berliner Spielplatz hinaus. Aber wird der Widerhall dafür sorgen, dass sich das Blatt eines Tages wenden und Rassismus aus dem Alltag der Betroffenen verschwindet? Und was braucht es, damit dieser gesellschaftliche Wandel in Gang gesetzt wird?

In ihrem neuen Buch „Und jetzt du. Rassismuskritisch leben“ thematisiert Tupoka Ogette neben persönlichen Erfahrungen verschiedene Phänomene sowie Tipps und Tricks. Angesprochen werden aber auch nicht betroffene Menschen, denn sie sollen lernen, ein Leben zu führen, ohne dass sie andere Personen diskriminieren. Das geballte Fachwissen der Autorin, Trainerin und Beraterin für Rassismuskritik im deutschsprachigen Raum hat anlässlich ihrer Lesung am 15. Mai 2024 für einen ausverkauften Saal im Literaturhaus in Frankfurt gesorgt. Der Abend wurde durch Enissa Amani, eine iranisch-deutsche Komikerin, Schauspielerin und Aktivistin, moderiert, die mit ihrer selbstironischen Art immer wieder für ein lachendes Publikum sorgt. 

Beide sprachen auch von auch den sozialen Unterschieden zwischen People of Color und weißen Menschen: „Wie kannst du bei diesem Thema immer so ruhig bleiben? Ich kann das nicht und möchte meine Wut nach außen tragen. Ich möchte nicht nur einen Platz am großen runden Tisch. Ich möchte an den Stühlen der Anderen sägen“, wendet sich Amani an ihre Freundin und Kollegin. Ernsthaft, aber auch voller Energie ahmt sie die Bewegung einer Säge nach, die ein imaginäres Stuhlbein in zwei Teilen soll. Ogette selbst sieht ihre Sozialisierung zum „lieben schwarzen Mädchen“ als Teil der Ursache ihrer ruhigen Art. Ein Resultat dieser Sozialisierung sei es gewesen, dass sie jahrelang Angst vor ihrer eigenen Wut gehabt habe. Eine professionelle Haltung und die strikte Trennung von Arbeit und Privatleben seien Schlüssel im Umgang mit ihren Emotionen.

In ihren Sensibilisierungsworkshops richtet sie sich an weiße Menschen und ihre Interaktion mit People of Color, beispielsweise im familiären Umfeld. Mit den Empowermentworkshops werden wiederum von Rassismus betroffene Menschen als Zielgruppe angesprochen. In diesem Format geht es darum, Raum für Biographiearbeit, Handlungsstrategien und Heilung zu schaffen. Wenngleich Gedanken zum Thema Auswanderung bizarrerweise selbstverständlich zum Gespräch am Kaffeetisch in den Freundeskreisen beider Frauen dazu gehören dazu, möchten sie sich nicht von ihren Zukunftsängsten leiten lassen. Tupoka Ogette gibt auf Nachfrage von Enissa Amani zu: „Ja, also ich habe eigentlich immer Angst. Sie begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Vielleicht liegt es aber auch an meinem Sternzeichen Widder. Wenn ich die Angst sehe, dann nehme ich die, und dann guck ich die an und dann brülle ich ganz laut und laufe darauf zu. Das mag vielleicht eine komisch sein, aber es hilft mir“.

„Rassismus findet sich in jedem Bereich unseres Lebens, unserer Gesellschaft. Allerdings haben wir nicht gelernt, ihn zu erkennen, geschweige denn darüber zu sprechen“, so steht es auf dem Klappentext der Neuerscheinung. Aufklärung und Aktivismus verhälfen der Gesellschaft immer mehr, ihren Muskel zu trainieren. Mehr Sichtbarkeit für das Thema werde beispielsweise durch die sozialen Medien und den Diskurs auf unterschiedlichen Plattformen erreicht. Die Reichweite von AktivistInnen werde hierdurch massiv erweitert, da Menschen die Wahl zwischen den unterschiedlichsten Formaten haben. Vom 30 Sekunden TikTok bis hin zur Dokumentation in der ARD-Mediathek ist alles dabei. Auch Firmen beschäftigen mittlerweile Fachpersonal, um diskriminierende Mechanismen im System zu beseitigen“. Politisch gesehen sei allerdings weltweit eine massive Verschiebung nach rechts zu verzeichnen, daher sind sich Amani und Ogette in Bezug auf die Zukunft einig: „Es wird besser und gleichzeitig beschissener“.