Ort der Preisverleihung: der Łazienki-Palast. Foto: Prof. Dr. Cora Dietl

Von Prof. Dr. Cora Dietl

Am 9.6.2022 haben die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Stiftung für polnische Wissenschaft (FNP) die Copernicus-Preisträger*innen von 2022 und 2020 in Warschau geehrt. Mit Prof. Dr. Sascha Feuchert, dem Leiter der Arbeitsstelle Holocaustliteratur an der JLU Gießen, und Prof. Dr. Krystyna Radziszewska, Germanistikprofessorin an der Universität Łódź, sind 2022 erstmals Geisteswissenschaftler*/innen mit diesem hoch dotierten Wissenschaftspreis für deutsch-polnische Zusammenarbeit ausgezeichnet worden. Die Verleihung erfolgte vor hochrangigen Vertretern der polnischen Wissenschaftsförderinstitutionen, der DFG, Mitgliedern des Preiskomitees sowie eingeladenen Gästen aus den Universitäten der Preisträger*innen. Die Feierlichkeit wurde auch im Live-Stream übertragen.

Prof. Dr. Feuchert und Prof. Dr. Radziszewska werden mit dem hoch dotierten Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Zu sehen sind: Katja Becker, Sascha Feuchert, verdeckt: Krystyna Radziszewska, von hinten: Maciej Żylicz
Foto: Prof. Dr. Cora Dietl

Grußworte sprachen Prof. Dr. Maciej Żylicz, Präsident der FNP, Prof. Dr. Katja Becker, Präsidentin der DFG, und Dr. Arndt Freytag von Loringhoven, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen. Alle drei hoben die gesellschaftliche und politische Bedeutung von kooperativer deutsch-polnischer Wissenschaft hervor, gerade auch angesichts des Krieges in der Ukraine. Während Becker die friedenssichernde Funktion gemeinsamer wissenschaftlicher Anstrengungen betonte, verwies Freytag von Loringhoven auf zahlreiche Institutionen, welche eine deutsch-polnische Wissenschaftskooperation fördern, und Żylicz lenkte den Blick auf die Bedeutung des Wissenstransfers in die Gesellschaft(en).

Die Präsentationen der beiden Preisträgerpaare belegten alle drei Punkte sehr eindrücklich: Feuchert und Radziszewska, die für ihre Leistungen in der Holocaustforschung und speziell in der Erschließung der literarischen Zeugnisse aus dem Getto Lodz/Litzmannstadt ausgezeichnet worden sind, stellten die Literatur aus dem Getto zunächst in den Kontext der deutsch-polnischen Geschichte der Stadt Lodz und zeigten auf, wie sehr der Zweite Weltkrieg ein produktives Zusammenleben in der multikulturellen Stadt zerstörte. Sie betteten sodann ihre seit 1996 bestehende wissenschaftliche Kooperation in die mittlerweile 44 Jahre dauernde Universitätspartnerschaft zwischen Gießen und Lodz ein, die seitdem das gegenseitige Verstehen fördert. Sie zeigten schließlich auf, wie sehr ihre Forschung der Erinnerungsarbeit dient: Die fünfbändige Edition der Getto-Chronik, die Edition der Enzyklopädie des Gettos, die Edition der Schriften Oskar Singers und die geplante Edition der (weitgehend von der Zensur abgefangenen) Postkarten aus dem Getto vermag dem NS-Versuch der Vernichtung einer Kultur entgegenzuwirken, indem sie dem jüdischen Leben im Getto und den Individuen ein Gesicht geben und die Memoria des einzelnen und der Kultur sichern. Żylicz lobte ausdrücklich die Breitenwirksamkeit der Arbeit von Feuchert und Radziszewska: die Ausstrahlung der Getto-Chronik im HR, die literaturdidaktischen Arbeiten der beiden Wissenschaftler*/innen und die strukturbildende Wirkung ihrer Arbeiten in beiden Universitäten.  

Einen etwas anderen Ton schlug die Präsentation der Preisträger von 2020 an, die jetzt endlich, nachdem sie bereits vor zwei Jahren im virtuellen Raum geehrt worden waren, ihre Urkunden erhielten: Prof. Dr. Sebastian Faust (TU Darmstadt) und Prof. Dr. Stefan Dziembowski (Universität Warschau) erhielten den Preis für ihre Arbeiten auf dem Feld der Theoretischen Kryptografie und IT-Sicherheit. Mit viel Witz illustrierten sie zunächst, wie ihre Kooperation 2009 bei einer Tagung in Italien begonnen hatte und welchen Problemen sie sich stellen wollten. Mit anschaulichen Bildern brachen sie die mathematischen Grundlagen der Verschlüsselungstechnik auf ein allgemein verständliches Niveau herunter und legten v.a. die Bedeutung der Verschlüsselungstechnik offen, womit sie freilich angesichts der offenkundigen aktuellen Bedrohung durch Cyberangriffe und der zumindest in Gießen wohlbekannten Auswirkungen von Cyberangriffen keine großen Vermittlungsprobleme hatten.

Einen höchst würdigen atmosphärischen Rahmen für die Preisverleihung bildete der Łazienki-Palast (Palast auf der Insel), ein architektonisches Schmuckstück, im 17. Jahrhundert auf einer künstlichen Insel im Warschauer Łazienki-Park errichtet, Ende des 18. Jh. als Residenz für Stanislaus August Poniatowski umgebaut, von der Wehrmacht 1944 gebrandschatzt und nach dem Zweiten Weltkrieg sehr sorgfältig restauriert. In der unteren Gemäldegalerie war am 9.6. Rembrandts „Polnischer Reiter“, eine Impression aus dem Dreißigjährigen Krieg, zu sehen, als Leihgabe der Sammlung Henry Frick in New York. Die Öffnungszeiten der Gemäldegalerie wurden eigens für die Gäste der Preisverleihung verlängert. Indem sie das Thema des Krieges auf ihre je eigene Weise ästhetisch reflektierten, knüpften Gebäude und Gemälde auf bemerkenswerte Weise an die des aktuellen Krieges gedenkenden Grußworte der Gastgeber an.

Weitere Informationen und Veröffentlichungen findet Ihr unter:

https://www.uni-giessen.de/ueber-uns/pressestelle/pm/pm62-22Copernicus-PreisfuerSaschaFeuchert#:~:text=f%C3%BCr%20Holocaustliteratur%20Prof.-,Dr.,Dr.