Von Alix Czaplinski
Ein Krimiautor der kein Blut mehr sehen möchte?
Bernhard Jaumann schreibt schon seit seiner Jugend. Und das mit Erfolg. Der ehemalige Gymnasiallehrer wurde unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman und dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet. An der Kriminalliteratur schätzt er die harten Strukturen, die er zwar einhalten muss, mit denen er aber auch spielt, um seine Leser:innen immer wieder überraschen zu können. Über grauenvolle und blutige Gewalttaten schreibt er jedoch nicht mehr gerne. Ganz ohne Straftaten kommt ein Krimi grundsätzlich nicht aus, aber das scheint gar kein Problem für Bernhard Jaumann zu sein: Sein neuester Roman, „Caravaggios Schatten“, wimmelt von Verbrechen.
Am 14. Oktober 2021 stellte der Autor die neueste Geschichte um den Kunstdetektiv Rupert von Schleetzwitz bei einer Lesung des Literarischen Zentrums Gießen (LZG) im Rahmen des Krimifestivals vor. Der Ermittler wird nicht nur Zeuge der mutwilligen Zerstörung eines Gemäldes in der Galerie von Schloss Sanssouci, er steht sogar kurzzeitig unter Verdacht die Verwirrung genutzt zu haben um das Kunstwerk anschließend zu „entführen“. Der Kunstdetektiv und sein Team machen sich aber sofort daran die wahren „Art-Napper“ ausfindig zu machen – natürlich nicht ohne gewisse Schwierigkeiten bei der Ermittlung. In „Caravaggios Schatten“ wird also kein Mensch, sondern ein Gemälde erstochen. Der Roman ist nach „Der Turm der blauen Pferde“ der zweite Band über den Schnüffler und dessen Kunstdetektei in München.
„Der Ungläubige Thomas“
Eigentlich hatte Bernhard Jaumann ein anderes Kunstwerk im Kopf, als er sich entschloss, Rupert von Schleewitz wieder ermitteln zu lassen. Als er aber bei seinen Recherchen auf den „Ungläubigen Thomas“ von Caravaggio stieß, war ihm sofort klar, dass sein neuer Roman von diesem Gemälde ausgehen muss. Licht und Schatten, Verwunden und Heilen, das Bild greift unzählige Themen auf, die Bernhard Jaumann in seiner Geschichte miterzählt. In der Bildergalerie von Schloss Sanssouci, in der man den ‚echten‘ „Ungläubigen Thomas“ findet, waren die Kunstliebhaber*innen bei einer Lesung von Bernhard Jaumann übrigens froh, dass das Meisterwerk nur in seiner Geschichte entführt wurde. Ein Diebstahl seitens des Schriftstellers sei jedoch gar nicht so abwegig gewesen, gesteht dieser im Scherz. Für seine Recherche hat man ihm eine Privatführung durch die Galerie angeboten, da Schloss Sanssouci in den Wintermonaten eigentlich für den Publikumsverkehr geschlossen ist. Als er alleine vor dem Caravaggio stand, bereute Bernhard Jaumann kurz für die Führung seinen echten Namen angegeben zu haben. Eine Sekunde lang habe er überlegt, das Gemälde einfach mitzunehmen.
Die Münchner Kunstdetektei
Die Mitarbeitenden der Detektei könnten unterschiedlicher nicht sein. Neben Rupert von Schleewitz, einem schwierigen Typen, der sich das ein oder andere Mal etwas zu viel auf seinen Adelstitel einbildet, gibt es noch den Aktenwühler Max Müller. Er arbeitet im Archiv, steigert sich in jeden Fall hinein, recherchiert inbrünstig und ist dabei sehr erfolgreich. Die dritte im Bunde ist Klara Ivanovic, die Einzige in der Truppe, die sich wirklich mit Kunst auskennt. Doch nicht nur das, auch ihre Menschenkenntnis wird die Leser*innen überraschen. Zusammen ermittelt das Team bei allem, was irgendwie mit Kunst zutun hat, sie suchen sogar nach verschwundenen oder gar verschollenen Gemälden. Von Schleewitz muss in „Caravaggios Schatten“ mit ansehen wie ausgerechnet ein ehemaliger Schulkamerad den „Ungläubigen Thomas“ geradezu massakriert: Er sticht erst auf die Personen im Gemälde ein, als wolle er sie tatsächlich ermorden, und schlitzt anschließend mehrfach die Leinwand auf. Danach überschlagen sich die Ereignisse, bis das Gemälde dann letztendlich sogar gestohlen wird. Und dann geht es erst richtig los, aber mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, außer: Für viel Spannung benötigt man gar keine blutrünstigen Verbrechen. Das beweist Bernhard Jaumann mit seinem neuesten Kriminalroman. Fans des hochnäsigen Rupert von Schleewitz können sich übrigens freuen, eine Fortsetzung ist schon in Planung. Diesmal soll es sich um den britischen Streetart Künstler Banksy drehen, mehr wollte der Krimiautor jedoch noch nicht preisgeben.
„Der war schon tot“
Bis zum 30. Oktober 2021 ludt Uwe Lischper, Stellvertretender Vorsitzender des LZG und Begründer des Gießener Krimifestivals, zu insgesamt 27 spannenden Lesungen ein. Alle unter dem Motto „der war schon tot“. Ein allzu bekannter Satz in Kriminalromanen.
Webseite des Gießener Krimifestivals: https://www.krimifestival-giessen.de/