Von Melina Wolf

„Wir bleiben hier!“ So schallt es regelmäßig aus den Kehlen unzähliger Kinder im Publikum des Stadttheater Gießens, wenn sie sich für die mutig-freche Zora und ihre Bande stark machen. Seit dem 24. November 2024 wird das Stück im Großen Saal aufgeführt.

Die Theaterfassung „Die rote Zora“ ist von dem gleichnamigen Jugendroman von Kurt Held aus dem Jahr 1941 inspiriert. Darin geht es um den zwölfjährigen Branko, der nach dem Tod seiner Mutter für sich selbst sorgen muss. Auf der Straße trifft er auf Zora und ihre Bande. Gemeinsam erleben sie viele Abenteuer, bevor sie schließlich um ihr Zuhause kämpfen müssen.

Hier kommt das Publikum ins Spiel. Das Stück ist interaktiv aufgebaut, das junge Publikum wird einbezogen und alle rufen zusammen mit Zora, Branko und ihrer Bande: „Wir bleiben hier!“. „Es ist immer schön, wenn die Kinder mitmachen“, erklärt Anna Huberte Präg, die Darstellerin der roten Zora. Es sei einfach eine besondere Gruppendynamik. „Wir waren uns in den Proben nicht sicher, ob die Kinder wieder leise werden“, erzählt sie, „aber sie werden wieder ruhig und lassen uns die Geschichte weitererzählen.“ Tatsächlich funktioniert das ziemlich gut, sie lassen nicht nur die Guten, sondern auch die Bösen im Stück weiterreden. Dennoch haben einige Kinder das Gefühl, Zora und Branko noch mehr unterstützen zu müssen: In einer Szene bewerfen gemeine Kinder Zora und ihre Bande mit Aprikosen. Die Kinder aus dem Publikum kletterten daraufhin in den Zwischenbereich, haben die heruntergefallenen Früchte aufgehoben und die frechen Angreifer ebenfalls unter Beschuss genommen.

Aber nicht nur die Aprikosen sind Teil einer humorvolle Inszenierung. „Ich mag diese Extreme, das parodierte Rennen“, meint Präg. Damit spielt sie auf das zeichentrickhafte Rennen an, wie man es aus Cartoons kennt. Zora und Branko laufen so vor dem bösen Karaman weg. Aber auch Tiere werden eingesetzt, um dem Geschehen auf der Bühne Leben und Humor zu verleihen. In einer Szene versuchen Branko und Zora, Hühner zu stehlen. Zu sehen sind jedoch keine echten Tiere, sondern Figuren, die auf kleinen ferngesteuerten Autos befestigt sind und wild durcheinander über die Bühne fahren. „Einmal stand eine Hühnerfahrprobe auf dem Tagesplan“, berichtet Präg, denn immerhin steuern die Darsteller diese tierischen Autos selbst. Allerdings werden nicht nur motorisierte Tiere verwendet, manchmal spielen auch Menschen Tiere. Zum Beispiel verfolgen zwei „Hunde“ den bösen Karaman. „Es macht einfach Laune beim Spielen“, so Präg.

Innerhalb der standardtypischen sechs Wochen hätten die Darsteller*innen das Stück einstudiert. Ein besonderer Moment sei es gewesen, die Probebühne zu verlassen. „Man muss sich nicht mehr alles vorstellen, sondern ist auf der richtigen Bühne, mit allem Drum und Dran“, so die Schauspielerin. In ihrem Leben hat sie mittlerweile oft vor großem Publikum gestanden, darunter im Théâtre National de Bretagne in Frankreich und im Schauspielstudio in Chemnitz. Sie resümiert: „Aber auf der Bühne stehen wird keine Normalität, es ist ein Geschenk.“

Anna Huberta Präg

Hier in Gießen ist Präg Teil des Ensembles des Jungen Theaters Gießen. Das Schöne an Kindern sei, dass sie direkter und ehrlicher sind. Sie ließen sich leichter von Dingen überraschen. Durch diese Reichhaltigkeit an Emotionen bekommen die Darsteller*innen sofort eine Reaktion. „Ich mag das Unvoreingenommene, das Ehrliche“, meint Präg.

Die positive Resonanz des Publikums und die fast immer ausverkauften Vorstellungen sprechen für das Stück. Das Theater habe zwar mit Begeisterung gerechnet, dennoch sei es überraschend, wie gut das Stück ankomme. Präg erzählt, dass „Die rote Zora“ auch auf dem Weihnachtsmarkt Gesprächsthema gewesen sei. Daraufhin habe sie die Familie angesprochen und erzählt, dass sie die Zora spiele: „Beim Weggehen habe ich gehört, wie die Mutter sagte: ‚Ich habe die Zora getroffen. Das ist meine Kindheit.‘“

In der Tat begeistert das Stück, insbesondere weil das Einbinden des Publikums eine erfrischende Abwechslung zu einem ‚normalen‘ Inszenierung darstellt. Noch bis Juni sind die Abenteuer der Kinderbande zu sehen. Es gibt also noch Möglichkeiten, sich von dem Stück und den Darsteller*innen verzaubern zu lassen. „Kommet zuhauf!“ so Präg.

Informationen zum Stück auf der Homepage des Gießener Stadttheaters: https://stadttheater-giessen.de/de/veranstaltungen/stuecke/die-rote-zora-und-ihre-bande/