Von links nach rechts: Anna Lisa Azur, Jann Wattjes, Tobias Beitzel, Clemens Naumann und Benedict Hegemann

Von Analena Aberle

»Der beste Poetryslam der Welt« lautete das Fazit des Comedians und Dichters Tobias Beitzel im Jokus, dem Jugend- und Kulturzentrum in Gießen. Der monatliche Poetryslam-Wettbewerb ging dort mit einem Weihnachtsspecial in die letzte Runde für 2024 und bot jede Menge Überraschungen – sowohl für das kunterbunte Publikum als auch für die vier professionellen Poet*innen. Mit einer Vorrunde, Live-Herausforderungen und einer siebenminütigen Zeitspanne für ihre Performance stellten sich die Wortakrobaten dabei der Bewertung der Zuschauenden.

Moderator Benedict Hegemann, bekannt für seine humorvolle Art und Vertrautheit mit den Stammgästen, führte mit Weihnachtsmütze durch den Abend. Zwischen den Live-Acts begeisterte er alle Anwesenden mit spontanen Witzen und gezielten Fragen: »Wer hat dieses Jahr schon seine Geschenke gekauft – und wer ist Team Last-Minute?« 

Als Eisbrecher diente die zuvor gestellte Aufgabe, das „meiste“ Geld mitzubringen. Der oder die Sieger*in durfte dieses am Ende mit nach Hause nehmen. Clemens Naumann aus Frankfurt fand eine humorvolle Lösung und brachte vier Rubbellose mit einem möglichen Höchstgewinn von je 20.000 Euro mit – eine Geste, die für Lachen sorgte. Beitzel hatte eine 2-Euro Münze dabei, denn dieses Geldstück werde in Deutschland am meisten verwendet. »Was soll dabei rauskommen, wenn man vier Poetryslammer nach dem meisten Geld fragt?«, bemerkte er. Der 32-jährige Autor Jann Wattjes brachte eine ungezählte Menge an Kleingeld mit, das am Monatsende übergeblieben war. Ganz nach dem Leitspruch »Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.« Die Slammerin und Lyrikerin Anna Lisa Azur, 2022 mit dem Preis der Jungen Poeten ausgezeichnet, präsentierte 500 tschechische Kronen, die immerhin etwa 20 Euro wert waren. Hegemann kommentierte scherzhaft „Anna Lisa, dir ist schon klar – das ist mehr Geld als Gage.“

Eine der Live-Herausforderungen für die Slammer*innen war es, einen Gegenstand zu besorgen und diesen falsch herum auf der Bühne zu präsentieren. Während Wattjes ganz einfach eine volle Flasche Wasser auf ihren Kopf stellte und damit den Boden flutete, verschwand Tobias Beitzel für einige Momente aus dem Saal, um mit einer kleinen, schweren Sackkarre gerade so im Drei-Minuten-Zeitfenster zurückzukehren. Sichtlich angestrengt und schnaubend drehte er die Lastkarre mit einem Rumms um 180 Grad. Belohnt wurde diese Aktion mit Extrapunkten von der Publikumsjury, die ihm halfen, ins Finale einzuziehen.

Doch nicht nur die Aufgaben brachten die Anwesenden zum Staunen. Die vier Dichter*innen glänzten natürlich mit ihren poetischen Darbietungen. Clemens Naumann konnte vor allem mit seinen humorvollen Anekdoten über Deutsche im Ausland und »hummerroten Herrmanns« punkten: »Neulich hatte ich Sonnenbrand – zack war ich Herrmann.« Der Comedian Tobias Beitzel sorgte mit seinem Text »Meine PUK« für Lacher, als er das Dilemma rund um die PUK, der persönlichen Entsperr-PIN, thematisierte. »Auf dem Handybildschirm steht der Satz, der Könige und Bettler gleichermaßen in Angst versetzt: Bitte geben Sie Ihre PUK ein«, sagte Beitzel und wurde mit Lachen und Applaus belohnt.

Anna Lisa Azur trat ganz nach dem Motto »Klein, aber oho!« auf. Die 1,62 Meter große junge Frau, überzeugte die Jury mit ihrer expressiven Performance und ihren Tabuthemen. In ihrem Text sprach sie offen über den weiblichen Orgasmus und dessen Vorteile. »Egal, wie ihr kommt. Hauptsache, ihr tut es. Etwas, das man teilen kann, ist doch immer noch am schönsten«, sagte Azur. In ihren sieben Minuten gab es in dem gut gefüllten Raum keinen Mucks. Die Zuschauer*innen waren gebannt. 

Der aus Kiel stammende Jann Wattjes widmete sich in seinem Text dem politischen Kampf gegen den »Höcke-Marder«. In einer humorvollen, aber auch scharfsinnigen Analyse verglich er den rechtspopulistischen Politiker Björn Höcke mit einem Marder, der sich auf dem Dachboden eingenistet hatte. »Du musst ihn von Anfang an mit allen Mitteln bekämpfen, denn du kannst ihn nur so lange ignorieren, bis es zu spät ist.« Ein aussagekräftiges Statement, das im Publikum auf reichlich Zustimmung traf.

Nach einem Stechen standen Anna Lisa Azur und Tobias Beitzel im Finale – ein Kopf-an-Kopf-Rennen, dass die Slam-Poetin schließlich knapp für sich entscheiden konnte. Die Kulturrucksackbeauftragte der Stadt Wuppertal, die ein Förderprogramm für kulturelle Angebote für Jugendliche leitet, überzeugte mit ihrer Performance zur toxischen Männlichkeit: »Echte Männer, die kennen keinen Schmerz. Die schaffen immer alles alleine. Denn ein Mann, der leistet einfach.« Sie konnte damit den »Geldregen« einheimsen und sich als Siegerin des Abends feiern lassen.

Ein Wettbewerb, der die Zuschauenden sichtlich mit einem Strahlen nach Hause gehen ließ, während Moderator Benedict Hegemann zum Abschluss noch einmal auf die regelmäßig stattfindende Veranstaltung hinwies: »Kommt wieder – jeden dritten Donnerstag im Monat!«

Informationen zur Veranstaltung sowie zu den teilnehmenden Poetry-Slammer*innen: https://www.instagram.com/slammittelhessen/