Von Sophia Keul-Lange
„Zeitmanagement ist das A und O“, berichten Studierende über ihre ehrenamtliche Arbeit. Zwischen Vorlesungen, Prüfungen und Nebenjobs bleibt oft wenig Zeit. Denn neben der Uni gelte es auch, Geld zu verdienen. „Auch die kleinste WG muss finanziert werden“, da waren sich alle Befragten einig. Ehrenamtlich arbeiten klingt nach Freizeitopfer und unbezahlter Mühe. Doch für die drei befragten Studierenden sei diese Arbeit mehr als nur ein positiver Punkt im Lebenslauf: Sie ist Teil ihres Alltags, ihrer persönlichen Entwicklung und manchmal auch einfach ihr liebstes Hobby. In diesem Alter stelle ehrenamtliches Engagement eher die Ausnahme als die Regel dar. Laut Statistik (Verbrauchs- und Medienanalyse – VuMA) arbeiteten im Jahr 2022 nur 12,3 Prozent der 20 bis 29-Jährigen im Ehrenamt. In den Altersgruppen ab 50 Jahren liegt der Anteil bei 19,7 Prozent.
Kampfsport mit Herz – Warum Katha Müller ihre Kurse gratis gibt
„Meine Bezahlung ist der Fortschritt der Kinder“, berichtet Katha Müller (Name wurde von der Redaktion geändert). Sie studiert Lehramt und unterrichtet seit über zehn Jahren Kampfsport in ihrem eigenen Studio. Sie bietet Boxen, Kickboxen und Fitnesskurse an. Ihr Training ist jedoch kein Nebenjob: „Ich habe das Studio zusammen mit meiner Schwester 2020 eröffnet. Ich liebe diesen Sport und möchte da einfach nicht von anderen abhängig sein“, erzählt sie. Eines Tages merkten die Schwestern, dass ihre Trainer sie nicht mehr voranbringen konnten. Den Verein zu wechseln, war keine Option. „Das war der Ursprung der Idee und ich habe nie an dieser Entscheidung gezweifelt“, sagt Müller. Es fiel den Schwestern dennoch nicht leicht, diesen Schritt zu gehen. „Ich weiß, was wir sind und was wir können. Darauf habe ich mich einfach verlassen. Und siehe da, es kommt richtig gut an“. Müller arbeite außerdem an einer Schule, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Auf die Frage, wieso sie die Arbeit auf sich nehme, antwortet sie: „Ich kann in der Halle abschalten. Es ist cool, mein Wissen weiterzugeben und Kinder in dem Sport zu fördern, den ich am meisten liebe.“ Auch der soziale Aspekt spiele im Studio eine Rolle, denn die Kinder lernen viel über Respekt und den Umgang miteinander. Für andere Freizeitaktivitäten habe sie wenig oder gar keine Zeit, auch Freunde zu treffen sei zeitlich „nicht drin“. „Ich find‘s nicht so schlimm. Meine Freunde sind Teil des Teams und auch in der Halle. Außerdem kenne ich das gar nicht anders“, erklärt die passionierte Übungsleiterin.
Ehrenamt mit Blaulicht
Jonas Henkel, ebenfalls Lehramtsstudent, engagiert sich seit seiner Jugend bei der Feuerwehr. Mit 14 trat er selbst in die Jugendfeuerwehr ein, mit 17 absolvierte er den Grundlehrgang. Heute lebt er in Gießen, wo es öfter zu Einsätzen kommt als in dem Dorf, in dem er seine Jugend verbrachte. Henkel berichtet von ca. 270 Einsätzen im Jahr. „Endlich kann ich mein Gelerntes vom Lehrgang anwenden und Leistung zeigen“, sagt er. In einem Grundlehrgang werden Teilnehmer*innen wesentliche Kenntnisse vermittelt, darunter zählt Erste Hilfe sowie Eigenschutz, der Aufbau und Ablauf eines Löschangriffs, die Rettung und Sicherung von Personen und die Grundlagen der Technischen Hilfeleistung. „Dieser Lehrgang ist die Voraussetzung, um an Einsätzen teilnehmen zu dürfen“, erklärt Henkel auf Nachfrage. Seine Motivation ist es, Menschen zu helfen. „Es fühlt sich gut an, gebraucht zu werden.“ Wenn der Alarm losgehe, erfasse ihn ein regelrechter „Adrenalinkick“. Die Feuerwehr sei für Henkel aber kein Job: „Es kostet mit zwei festen Terminen in der Woche nicht mehr Zeit als andere Hobbys, nur dass Einsätze eben spontan passieren und mir daher manchmal einen Strich durch die Rechnung machen, wenn ich gerade andere Pläne hatte.“ Bezahlt werde die Arbeit nicht, kleine Vergünstigungen wie Freibad-Eintritte gebe es als Dankeschön trotzdem.
Kein Geld, aber viel Wert
Auch die Lehramtsstudentin Maya Schäty engagiert sich sportlich: Sie leitet wöchentlich eine Kinderturngruppe für Mädchen zwischen sechs und zehn Jahren. „Ich bin eingesprungen, weil unsere Trainerin aufgehört hat. Ich wollte nicht, dass sich die Gruppe auflöst. Nun gebe ich den Kindern das, was mal jemand für mich getan hat. Das ist Gemeinschaft“, sagt sie. Schäty sieht sich als Teil des Vereins in Dutenhofen: „Wir sind wie eine kleine Familie.“ Besonders stolz mache sie der Fortschritt der Kinder. „Wenn sie besser werden und Spaß haben, ist das auch für mich ein Erfolg.“ Ihr Antrieb seien keine Wettkämpfe, sondern die Leidenschaft für das Turnen. Die Arbeit sei manchmal stressig, „aber es fühlt sich wie ein Hobby an“. Sie lerne im Verein Dinge, die ihr in der Uni fehlen. Besonders die pädagogische Ausbildung sei nicht praktisch genug. Daher ist sie froh, sich im Umgang mit Kindern ausprobieren zu können. Einen anderen Nebenjob habe sie nicht. „Das geht aber nur, weil ich noch zu Hause wohne und keine Miete zahlen muss“, berichtet Schäty abschließend.
Sprachförderung mit Herz
Eine Uni-Rundmail erreichte Nico Westmeier. Die Gesamtschule Gießen Ost suchte Helfer*innen für die internationale Klasse. Einmal pro Woche unterstützt er nun freiwillig und ohne Bezahlung Kinder mit Migrationshintergrund. In dieser AG lernen Schüler*innen, die erst kürzlich nach Deutschland gekommen sind, die deutsche Sprache von Grund auf. Sie sind im Alter von 10 bis 16 Jahren. Einige von ihnen kennen keinen Schulbesuch und hatten kaum oder keinen Kontakt mit der deutschen Sprache. Westmeier hilft insbesondere beim Lesenlernen. „Es ist eigentlich egal, was die Schüler lesen. Hauptsache, sie lesen möglichst viel auf Deutsch“, erklärt er. Auch bei Arbeitsblättern oder anderen schulischen Aufgaben stehe er unterstützend zur Seite. Die Motivation für das Engagement liege in einem besonderen Interesse am Bereich Deutsch als Zweitsprache (DaZ). „Mich interessiert, wie die Kinder Deutsch lernen, mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen haben und welche Fortschritte sie machen“, erklärt er. Gerade die individuelle Begleitung beim Spracherwerb sei entscheidend. Neben der Unterstützung der Lernenden entlastet Westmeier durch seine Hilfe auch die Lehrkraft. Denn die Klasse sei sehr heterogen: Die sprachlichen Vorkenntnisse der Schüler*innen variieren stark und eine Differenzierung oder individuelle Förderung sei im Schulalltag oft schwer umzusetzen. Zeitlich sei das Ehrenamt gut mit dem Studium vereinbar. „Ich bin nur einmal pro Woche dort und kann flexibel entscheiden, wann ich komme“, klärt Westmeier auf. „Es macht mir in erster Linie Spaß und ich fühl mich gut, wenn ich helfen kann. Aber ich denke, dass auch ich dabei etwas lerne.“
Weder Bezahlung noch Prestige
Keiner der Befragten engagiert sich aus Karrieregründen. Alle betonen, dass sie ihre Tätigkeit freiwillig machen, nicht wegen Bezahlung oder Prestige. Für viele sei das Ehrenamt ein Ausgleich zum Studienalltag, eine Chance, Verantwortung zu übernehmen oder sich persönlich weiterzuentwickeln. Letztendlich ziehen alle etwas Positives heraus, vor allem Spaß. Trotzdem gilt: Zeit ist knapp. Zwischen Vorlesungen, Prüfungen und Nebenjobs muss Engagement gut geplant sein. „Zeitmanagement ist das A und O“, sagt Müller. Ehrenamtliche Arbeit vermittle Fähigkeiten, die im Hörsaal selten gelehrt würden, wie Organisation, Verantwortung und pädagogisches Gespür. Und sie bringe etwas, das oft noch wertvoller sei: Gemeinschaft, Anerkennung und das gute Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.