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Von Anne Schulz

„Ich glaube, ich habe noch nie so etwas Stressiges erlebt!“, berichtet eine Studentin auf die Frage, wie sie die Wohnungssuche in Gießen empfunden habe. Schon seit 2017 zählte Gießen laut der Gießener Allgemeinen zu einem „Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf“. Das Studierendenwerk führt dazu auf, dass es auf 40.000 Studierende nur etwa 3.000 Plätze in Studierendenwohnheimen gebe. Daher ist es für Studierende oft schwierig, eine bezahlbare Bleibe zu finden. Sechs Studierende berichten von ihren Erfahrungen.

Marie musste lang nach einer passenden WG suchen: Insgesamt habe sie sich sechs bis sieben WGs angesehen. Es sei anstrengend gewesen, immer wieder die gleichen Fragen über die Wohnung, Freizeitaktivitäten oder den Studiengang beantworten und stellen zu müssen. Marc hingegen hatte „riesiges Glück“. Die erste WG habe sofort zugesagt.

Megan und Emma hingegen wollten allein wohnen. Megan erinnert sich an den Stress bei der Suche. Insgesamt hatte sie acht Besichtigungen, bis sie eine Zusage bekam. Besonders der Aufwand immer von A nach B zu fahren und Termine mit Vermieter*innen abzuklären, sei anstrengend gewesen. Das war besonders herausfordernd, da sie sich während der Wohnungssuche bereits mitten im Studium befand. Emma wiederum hatte durch gute Familienkontakte schnell eine eigene Wohnung.

Allerdings entscheidet zumeist der finanzielle Aspekt über die vier Wände. „In einer Studentenstadt zu wohnen, ist zu teuer“, erklärt Hannah. Auch Henry und Marc geben an, dass die Kosten ein Grund seien, noch bei den Eltern bzw. in einer WG zu wohnen. Marc zahlt beispielsweise 400 Euro für seine WG. Im gleichen Rahmen bewegen sich auch Megans und Maries Mieten. Emmas Kosten belaufen sich hingegen auf 630 Euro, da sie allein eine Drei-Zimmer-Wohnung bezogen hat. Neben den Finanzen spielen aber auch soziale Faktoren eine Rolle: Marc schätzt die Gesellschaft in der WG: „Es ist immer jemand zum Quatschen da.“ Und auch Marie sieht die WG als Chance, neue Kontakte zu knüpfen, besonders nach Corona: „Ich hatte durch meinen Studienbeginn während Corona kaum Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen.“ Hannah und Henry betonen ebenfalls den Vorteil sozialer Kontakte, wobei sie besonders die Nähe zu (Schul-)Freund*innen und Familie hervorheben. Doch das Familienleben habe auch Schattenseiten, wie Mangel an Privatsphäre und eingeschränktem Freiraum im Elternhaus. „Jeder will halt andauernd irgendwas von einem“, sagt Henry und berichtet weiterhin von der Lautstärke seiner Geschwister, die ihn beim Lernen stören. Freiheit und Unabhängigkeit, die die eigene Wohnung bietet, schätzen Emma und Megan beide sehr. Megan sagt: „Ich kann putzen und aufräumen, wann ich will.“ Und Emma fügt ergänzend hinzu: „Ich kann immer jemanden einladen, wenn mir danach ist, ohne meine Eltern um Erlaubnis zu bitten.“

Zwischen Dialogen, Dreck und Defiziten – das eigenständige Leben

Doch auch in WG- oder Einzel-Wohnsituationen können Probleme auftreten. Für Marc beispielsweise sind die WG-Castings nervenaufreibend, da er jedes Semester neue Mitbewohner*innen suchen muss. Konflikte entstehen auch durch unterschiedliche Auffassungen von Sauberkeit. Sowohl Marc als auch Marie berichten von solchen Gesprächen. Aber auch in einer eigenen Wohnung scheint es manchmal schwer zu fallen, Uni und Haushalt zu vereinbaren. Megan hebt hervor: „Wenn ich dann aus der Uni komme, muss ich erst mal aufräumen, bevor ich produktiv arbeiten kann.“ Emma sieht das ganze wiederum gelassener. Sie meint, dass sie manchmal Dinge liegen lasse, weil davon niemand gestört werde: „Es ist nicht so schlimm, wenn die Teller mal einen Tag länger liegen bleiben.“ 

Aber nicht nur der Kampf mit dem Geschirr oder Putzeimer kann zu einem Unwohlsein in der neuen Wohnumgebung führen. Marc fällt dabei sofort die schlechte Isolation seiner Wohnung und das damit verbundene Schimmelproblem ein. Megan wiederum gibt an, dass die Wohnung für den Preis recht klein sei und ihr Badezimmer nicht mal ein Fenster habe. Außerdem gebe es keinen verlässlichen Hausmeister, sodass es zu einer langen Wartezeit bei Reparaturen komme. Marie berichtet dagegen, dass ihre Altbauwohnung im Winter recht kalt sei und man deswegen viel heizen müsse, dafür im Sommer aber eine angenehme Kühle herrsche. Auch preislich finden Marc, Emma und Marie ihre Wohnungen anhand der Lage und der Umstände entsprechend angemessen. „Der Preis ist auch für Gießen noch in Ordnung.“

Insgesamt bewerten alle ihre Wohnsituation positiv. Besonders diejenigen, die von zu Hause ausgezogen sind, betonen, dass sie durch das Wohnen Selbstständigkeit und Verantwortungsgefühl gewonnen haben. Alle würden sich wieder so entscheiden und fühlen sich wohl. Marc sagt dazu: „Ich betitele es auch als ‚meinZuhause‘ und nicht als ‚meine WG‘.“