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Von Sophia Keul-Lange

Der Einsatz von iPads im Unterricht bietet viele Chancen, erfordert jedoch auch Vorbereitung, technische Ausstattung und pädagogische Begleitung. Lehrkräfte sowie Schüler*innen berichten, dass die Digitalisierung im Klassenzimmer kein Selbstläufer ist, sondern eine Auseinandersetzung mit neuen Lernformen und Herausforderungen sowie Vertrauen braucht.

„Alles hat doch Vor- und Nachteile, oder nicht?“, lacht Karl Lange, als er über den neuen Versuch seiner Schule berichtet. Er ist einer der Lehrenden, die das iPad-Projekt ins Leben gerufen haben und dessen Umsetzbarkeit prüfen. An der Gesamtschule Gleiberger Land in Wettenberg haben mit dem Schuljahr 2024/2025 alle Klassen des Jahrgangs 7 ein iPad zum Arbeiten erhalten. Arbeitsaufträge können im Schulportal „IServ“ hochgeladen und direkt von den Schüler*innen heruntergeladen und bearbeitet werden. „Vor allem wenn eine Lehrperson krank ist, ist das super praktisch, weil die Kinder trotzdem weiterarbeiten können, sodass nichts versäumt wird“, erklärt Lange.

Es wurden Nutzungsbedingungen zusammen mit dem Schulleiter, der Stufenleitung und dem IT-Beauftragten Sebastian Gerla festgestellt. Die iPads dürften ausschließlich für unterrichtliche Zwecke genutzt werden. Dazu müsse die Hardware vollgeladen sein, das Laden in der Schule sei untersagt. Wenn das Gerät nicht auf den Unterricht vorbereitet oder vergessen worden sei, müsse Versäumtes zu Hause nachgeholt werden. Auf einen weiteren wichtigen Aspekt weist Gerla hin: den Datenschutz, ein besonders sensibles Thema. Einige Schüler*innen hätten im Unterricht Videoaufnahmen gemacht. Dieser Fall sei direkt zur Anzeige gebracht worden. „Wenn man eine Ausnahme macht, verliert man die Kontrolle des Schutzes, daher gehen wir da strikt vor“, sagt Gerla und berichtet zudem von der Regelung, dass Lehrpersonen Einsicht in die digitalen Inhalte hätten, allerdings nur mit der Zustimmung der Schüler*innen. Wenn jedoch eine notwendige Kontrolle verweigert wird, müsse die Polizei hinzugezogen werden. „Es ist wichtig, auch für Härtefälle eine Lösung zu haben. Das dient auch zum Schutz der Lehrer*innen“, so Gerla. 

Ein problematisches Thema sei laut Lange die Nutzung des Datenschutzsystems „Airdrop“: „Die Kids schicken sich witzige, aber auch anstößige Bilder, gerne auch an Leute, die in der Klasse nebenan sitzen. Daher haben wir ‘Airdrop‘ komplett verboten. Aber auch hier ist die Kontrolle schwierig und die Zusammenarbeit fundiert auf Vertrauen.“ Was bei Verstößen passiert, wurde auch hier ganz genau festgelegt: Die Konsequenzen reichen von einem temporären oder permanenten iPad-Entzug bis hin zu einer Anzeige. 

Die Erziehungsberechtigten wurden vorab durch einen Elternabend über das Vorhaben informiert. Wie die Pädagog*innen im Rückblick schildern, hätten sich die Anwesenden interessiert und begeistert gezeigt, wenngleich auch Bedenken zur Sprache gekommen seien. Die meisten Vorbehalte könnten jedoch durch Beratung zur Geräteempfehlung oder einer finanziellen Unterstützung behoben werden. Die Mehrzahl der Eltern seien aber in der Lage, die Kosten ohne Mitwirkung des Fördervereins zu tragen.

Ein zentraler Pluspunkt sei laut Nina Weber, ebenfalls Klassenlehrerin des 7er-Jahrgangs, die Abschaffung von traditionellen Materialien wie Heften oder Arbeitsbüchern. Dadurch müssten die Schüler*innen deutlich weniger Gewicht in ihren Schulranzen tragen. Außerdem eröffne die Nutzung verschiedener Lern-Apps neue didaktische Möglichkeiten. So könnten Informationen schneller recherchiert und anschaulicher vermittelt werden. Sie schwärmt von der App „GeoGebra“, mit der die Lernenden mathematische Zusammenhänge interaktiv erkunden können. Durch die dynamischen Darstellungen von Funktionen oder geometrischen Konstruktionen werde das Verständnis erleichtert. Auch beliebt sei die „Anton“-App. Diese unterstütze interaktives Lernen und Üben in allen Fächern und Klassen. Ein weiterer Vorteil liegt im digitalen Lernen, das zunehmend auch im Hessischen Curriculum verankert ist.

„Heutzutage sind Medien einfach wichtig. Da steht im Kerncurriculum zum Beispiel das Ziel, ‚Medienkompetenz fördern. Bewusste, kritische und verantwortungsvolle Nutzung‘ – das wird mit den iPads alles abgedeckt“. Diesen Schluss lassen die Gespräche mit allen drei Lehrer*innen in Wettenberg zu. „Digitales Lernen und Arbeiten allgemein sind auch Ziele“, ergänzt Bastian Auriga, der in den iPad-Klassen hauptsächlich Deutsch unterrichtet. Insbesondere Gruppendifferenzierung werde durch den Einsatz der iPads einfacher ermöglicht, indem Aufgaben in größerer Zahl und passgenauer angeboten werden können. Außerdem fördere das Arbeiten mit digitalen Medien eine hohe Unabhängigkeit bei den Schüler*innen, die nun eigenständig Erklärvideos ansehen können. Der didaktische Mehrwert sei erheblich, solange die Arbeit mit den Geräten nicht ausschließlich das Schreiben ersetze.

Es lässt sich festhalten, dass die Lernenden auf eine Arbeitswelt vorbereitet werden, in der digitale Kompetenzen unerlässlich sind. Durch den Umgang mit den Geräten wird dabei eine sorgfältige Handhabung geschult. Lange meint, dass dies auch gut gelinge, da den Schüler*innen der Wert der Geräte durchaus bewusst sei. Nicht zuletzt, weil es sich um ein teures, eigenes Gerät handele. Die pflichtbewusste Nutzung überrascht auch Auriga positiv. Er hatte nicht erwartet, dass sich die Kinder so konsequent an die Regeln halten. „Dass es im Umgang kaum Probleme gibt, liegt wohl an dieser Generation“, ergänzt er. Sein Kollege Karl Lange stellt jedoch fest, dass ohnehin schwächere Lernende teilweise Schwierigkeiten mit der Technik hätten und zusätzlichen Unterstützungsbedarf benötigten. Ein weiteres Hindernis ist die künstliche Intelligenz. Schüler*innen würden oftmals ChatGPT nutzen, statt ihre Aufgaben selbstständig zu lösen. „Hier muss man vertrauen, aber auch kontrollieren“, berichtet Lange. Weber nutzt gerne Power-Point-Präsentationen statt Klassenarbeiten. Die Internetrecherche, das Erstellen der Präsentation sowie das Präsentieren selbst könnten im Klassenraum mit dem Gerät erfolgen.

Zoe Kuhl, eine iPad nutzende Schülerin, berichtet von ihrer Ordnung und Organisation. Sie habe nun immer alles dabei und könne auch auf ältere Dateien zurückgreifen und Verknüpfungen zu neuen Aufträgen schaffen. Zudem biete ihr das Gerät mehr Chancen zu motivierenden Verzierungen und Farben. Sie habe nie wieder eine Hausaufgabe vergessen oder ein Arbeitsblatt verloren. Neben den vielen Vorteilen gibt es jedoch auch einige Herausforderungen, die auch Kuhl bemerkt. „Ich schweife schon manchmal in Social Media ab“, gibt sie zu. Darüber hinaus berichtet sie von Kindern, die das iPad nicht geladen hätten, ihr selbst sei das aber noch nicht passiert.

Die Kontrolle über die Nutzung stellt offenbar eine zentrale Schwierigkeit dar. Gerade die Jungen neigen dazu, während des Unterrichts Spiele zu spielen, wie Lange beobachtet hat. Wie sich im Austausch mit den Lehrkräften herausstellt, bedeutet die digitale Umstellung auch für Lehrkräfte einen erheblichen Mehraufwand. Inhalte müssen neu aufbereitet, Aufgaben digital eingestellt und Materialien digitalisiert werden. Zudem ist eine Einführung in die technischen Grundlagen notwendig. Auriga betont, dass die Lehrer*innen zunächst selbst Kurse besuchen müssten, um Programme zu verstehen. Er wünscht sich, dass es solche Angebote schon an der Uni gäbe. Weber kritisiert vor allem die Bildschirmzeit: „Ich merke in den letzten Stunden, dass Kinder unkonzentriert werden, häufig klagen sie über Kopfschmerzen. Zu Hause gibt es oft keine Einschränkungen, dass ist dann insgesamt zu viel“. Wenn die Kinder auf den Bildschirm starren, werde die Kommunikation nicht gefördert, sondern sogar gehemmt. Darüber ist Weber nicht erfreut. „Auch die Führung eines Heftes und das Schreiben auf Papier geht verloren.“ Diese Meinung vertritt auch Sophie Scheidemann, ebenfalls Schülerin der Klasse 7. In der Befragung sagt sie, man verlerne das „echte“ Schreiben und mache mehr Fehler, weil es ein anderes Gefühl sei, nicht den Widerstand eines Stifts auf dem Blatt zu spüren, sondern auf einer glatten Oberfläche zu schreiben.

Insgesamt blicken die Lehrkräfte mit anhaltender Begeisterung auf das Pilotprojekt, schätzten dessen Mehrwert und sind überzeugt, dass die Vorteile dominieren. Noch vor den Sommerferien sollen alle Beteiligten zusammenkommen und das weitere Vorgehen besprechen. „Die Tendenz ist, dass wir das so weiter machen und nach und nach alle Klassen ab der 7 sogenannte „iPad-Klassen“ werden“, kündigt Weber an.