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Von Jule Spicker

GIESSEN. Am Mittwochabend, 22.01.2025, sind die Sitze des Hermann-Levi-Saals besonders gut gefüllt, denn die Veranstaltung des Instituts für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen, die im Rahmen des Projektes „Illustrators in Residence“ und in Kooperation mit dem Literarischen Zentrum Gießen (LZG) stattfand, lockte zahlreiche literaturbegeisterte Zuschauende an.

Das Projekt „Illustrators in Residence“ ist inzwischen vier Jahre alt und konnte bereits zahlreiche bekannte Illustrator*innen zu seinen Gästen zählen, unter anderem Antje Damm und Jonas Lauströer. Moderiert wurde die Lesung von Prof. Dr. Juliane Dube, Professorin für Germanistische Literatur- und Mediendidaktik an der JLU, und Dr. José Fernández Pérez, Studienrat im Hochschuldienst am Institut für Germanistik. „Lehrangebote wie das Projekt „Illustrators in Residence“ stellen für unsere Studenten und Studentinnen eine wirkliche Chance dar, um tiefe Einblicke in die Welt der Illustration zu gewinnen“, so Fernández Pérez. Wichtig für die Auswahl der Vortragenden sei unter anderem eine umfangreichere Werkbiografie. „Dies ermöglicht es uns, in den begleitenden Uni-Seminaren verschiedene Bücher und Themen der Künstler*innen zu besprechen und die Entwicklung ihres Schaffens nachzuvollziehen“, erklärt Dube.

So verfügt auch der an diesem Abend eingeladene Künstler und Kinderbuchautor Sebastian Meschenmoser über ein ausgesprochen breites Spektrum an Veröffentlichungen. Er schrieb und illustrierte 2005 sein erstes Kinderbuch „Fliegen lernen“ und ist besonders durch seine Zeichnungen in der Schmuckausgabe zum 40-jährigem Jubiläum des Romans „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende bekannt. Es ist die erste farbig illustrierte Ausgabe der Geschichte, die Ende berühmt machte. Um der phantasievollen Erzählung gerecht zu werden, reiste Meschenmoser sogar nach Italien, sprach mit Endes Freunden und fertigte über 150 Ölgemälde an.

Der Autor stellte den wohl wichtigsten Teil seiner Arbeit vor: seinen Schreibtisch. Dort stehen viele kleine Schleich-Tierfiguren. Diese würden Meschenmoser als wichtige Quellen für seine Tierzeichnungen dienen. Um aber Lebewesen auch in Bewegung zu studieren, gehe er häufig in den Zoo und skizziere dort verschiedene Bewegungsabläufe. Aber auch sich selbst nehme Meschenmoser als Vorlage: „Ich bin eines meiner billigsten Modelle und außerdem auch immer verfügbar“. So füge er sich und auch sein Atelier in seine Bücher ein und werde somit zu einem Teil seiner erschaffenen Welten. Obwohl er ab und zu auch digital arbeite, bevorzuge er dennoch Papier.

Besonders wichtig sei dem Autor, dass er seine Leser*innen fordere. Meschenmoser halte dies für angemessen: „Kinder verstehen viel mehr, als man denkt. Man darf sie nicht für dumm halten.“ Daher sei auch die Annahme falsch, dass Bücher für Jüngere leicht verständlich sein müssten. Auch Juliane Dube beobachtet: „Heute finden auch sensible Themen Eingang ins Bilderbuch – von Scheidung und Krankheit über Tod bis hin zu Themen wie häuslicher Gewalt. Diese Werke ermöglichen es Kindern, schwierige Situationen besser zu verstehen, und schaffen zugleich einen Raum für Gespräche zwischen Kindern und Erwachsenen.“

Meschenmoser hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinen Werken, darunter zum Beispiel die Bücherreihe „Herr Eichhorn“ oder „Gordon und Tapir“, die klassischen Rollenbilder in Frage zu stellen. So beispielsweise auch in seiner Märchenparodie „Rotkäppchen hat keine Lust“, in der der sonst böse Wolf plötzlich freundlich ist und das Rotkäppchen dagegen alles andere als gute Laune hat. In „Chick“, einer Geschichte, in der ein kleines Küken davon träumt, ein starker Hahn zu werden, im Laufe der Zeit jedoch feststellen muss, dass es in Wahrheit ein Huhn ist, spielt er ebenfalls mit Rollenklischees. Meschenmoser ließ sich bei den Zeichnungen nicht nur aus seinem eigenen Leben inspirieren, indem er gemeinsam mit seiner Frau Küken aufzog, sondern auch durch den Film „Alien“, der zu einem seiner Lieblingsfilme gehöre. So könnten aufmerksame Betrachter*innen in der Albtraumszene in „Chick“ einige Parallelen zu dem Film entdecken.

Der Illustrator betont, dass Kinder ehrliche Kritiker*innen seien, da sie sich nicht zurückhalten würden. Sie würden offen sagen, wenn sie eine Sache langweilig fänden. Kinderbücher zu schreiben sei daher auch oft eine Herausforderung und nicht so einfach, wie viele Leute annehmen.

Eine weitere Veranstaltung ist bereits geplant: Der Autor Torben Kuhlmann wird am 16. Juli als nächster Gast bei „Illustrators in Residence“ dabei sein und Literaturinteressierten seine Werke und seinen Arbeitsprozess vorstellen. Besonders bekannt ist er für seine Bücherreihe der Mäuseabenteuer, in denen eine kleine Maus namens Lindbergh um die Welt fliegt.

Weitere Informationen finden sich auf der Website des Projektes: https://illustratorsinresidence.de/.