Von Kim Tapper

Die Illustratorin Bea Davis.
Foto: Kim Trapper

„Intelligenz ist für mich erstmal Intelligenz. Egal ob künstlich oder nicht. Es gibt so viele dumme Menschen, da ist es auch mal schön eine künstliche Intelligenz zu haben“, sagt Bea Davis, denn für sie ist die Welt nicht nur in schwarz und weiß unterteilbar. Als Illustratorin spielen für sie besonders die Schattierungen eine zentrale Rolle – egal, ob es um das Thema KI oder den Prozess des künstlerischen Schaffens geht. Am 4. Juli 2024 fand anlässlich des Gießener Bilderbuchfestivals eine Lesung aus der Neuerscheinung „The Future is…“ statt. Bea Davis ist eine der vierzehn Illustratorinnen, die auf jeweils sechs Seiten ihre eigene Vision für die Zukunft der Welt im Rahmen eines Comics festhalten durften. Weitere Vorgaben gab es von der Herausgeberin Lilian Pithan nicht.

Während der Veranstaltung stand allerdings nicht nur die aktuelle Veröffentlichung im Vordergrund, denn Davis war und ist an vielen Projekten beteiligt. Doch bei allen bleibt das Thema Comic der entscheidende rote Faden. Aber was zeichnet einen Comic oder eine Graphic Novel eigentlich aus? Für Bea Davies gilt, dass beide Formen für die Lesenden in der Regel leicht verständlich sind, weil es in der menschlichen Natur liege, Bilder miteinander in Beziehung zu setzen. Doch wie kam Davis überhaupt zu diesem doch sehr außergewöhnlichen Beruf der Illustratorin? Geboren in einem kleinen Dorf in Norditalien mit Eltern, die als Puppenspieler tätig waren, schlug Davis zwar auch einen künstlerischen, aber ganz anderen Weg ein. So begann sie Illustration und Visuelle Kommunikation an der School of Visual Arts in New York zu studieren und beendete dieses Studium an der Weißensee Kunsthochschule in Berlin.

Kreativität und die Begeisterung, sich bis ins kleinste Detail auf verschiedenen Ebenen mit speziellen Themen wie Insekten auseinanderzusetzen, sind Bea Davis zufolge wichtige Eigenschaften für den Beruf der Illustratorin. Für das Projekt „Brummps“, ein Kinderbuch der Autorin Ditta Zipfel, in dem ein Mistkäfer unter Ameisen aufwächst und mit seinem „Anderssein“ konfrontiert wird, hat Davis ein riesiges Moodboard, eine Sammlung vieler verschiedener Darstellungen und Inspirationen, zum Thema erstellt. In diesem Fall wimmelte es nur so von Skizzen mit Ameisen und ihren physiologischen Eigenschaften. Kleinigkeiten, wie die unterschiedlich aussehenden Füße, hat sie aufgegriffen und die kleinen Insekten sogar mit Schuhen versehen.

Grundlage ihrer Arbeit sei es, ein sehr weitreichendes Wissen über verschiedene Themen aufzubauen. Für das Buch „König der Vagabunden“, das zusammen mit dem Autor Patrick Spät entstand, habe sie über das Leben von Menschen ohne festen Wohnsitz zu Beginn des 20. Jahrhunderts recherchiert. Dieser biographische Comic über den wohl bekanntesten Vagabunden in der Weimarer Republik, Gregor Gog, war ihr erstes Projekt. Gog selbst habe sich zu diesem Leben entschieden, als er seiner Heimat Posen entfloh. Mit der Wirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg stieg die Zahl obdachloser Menschen dramatisch an. In Deutschland lebten fast eine halbe Million Betroffene. 1927 rief Gog die erste Straßenzeitung ins Leben, um die Opfer der Krise zu organisieren. Zuvor seien die sogenannten Vagabunden durch das konservative Bürgertum drangsaliert worden, da sie die Tagelöhner mit Kriminellen gleichsetzten. Das und noch vieles mehr ist Teil der ersten Biographie über das Leben von Gregor Gog.

Wenngleich ihr Alltag als zweifache Mama manchmal ganz schön stressig sein könne, findet sie in ihrem zeitintensiven Job auch einen Ausgleich: „Das Arbeiten mit den verschiedenen Materialien und das Schaffen von Strukturen ist immer wieder spannend für mich.“ Im Kontrast zu vielen ihrer KollegInnen verzichtet Davis in der Regel auf die Nutzung von digitalen Programmen. „Das Ergebnis, ohne Technik zu zeichnen, ist zu 40% Zufall, aber im digitalen Arbeiten gibt es oft kein Ende“, so Davies. Die vielen verschiedenen Tools und Programme im Bereich der Zusammenstellung von Bildkompositionen stellen die KünstlerInnen vor eine unendliche Variation an Endergebnissen. Zudem ist die Überarbeitung mit weitaus weniger Aufwand verbunden, denn Änderungen können mit nur einem Mausklick rückgängig gemacht werden.

Auch bei ihrem Comic für den Sammelband „The Future is…“ hat Bea Davis auf das elektronische Zeichnen verzichtet. In ihrer Geschichte geht es um eine KI namens Ether, die eine Zukunftssimulation erkunden soll, um herauszufinden, ob es sich bei dieser Welt um einen geeigneten Lebensraum für die Menschen handeln kann.

Die Idee von Ether ist allerdings schon viel früher entstanden. Zu dieser Zeit lebte Davis noch in Italien in einem kleinen Dorf an der Grenze zur Toskana. Der Wald und die Flüsse ihrer Heimat haben auch als Inspiration für den Schauplatz des Comics gedient. Natur ist insgesamt etwas sehr Wichtiges für Davis. So dreht es sich auch bei ihrem persönlichen Wunsch für die Zukunft um den Ort, der ihr am meisten Energie gibt: „Ich wünsche mir keine Grenzen für die Natur. Besonders für die Pflanzen. Ihre Kraft fasziniert mich. Wie sie langsam entstehen und stetig wachsen.“