Von Lilli Weiskopf

Warum ein Praktikum? 

Ob zur Berufsorientierung, um neue Erfahrungen zu machen, in die Arbeitswelt reinzuschnuppern oder Credit Points zu erwerben – Praktika werden Studierenden von allen Seiten empfohlen. Auch ich hatte seit Längerem vor, während meines Studiums fachliche Theorie und konkrete Anwendung miteinander zu verbinden. Da aufgrund der Corona-Pandemie mein geplantes Auslandssemester in Irland abgesagt werden musste, dachte ich, dass dieser Zeitraum eine gute Möglichkeit wäre, das Projekt Praktikum in Angriff zu nehmen – und entschied mich schließlich im November 2020 dazu, mich beim Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) um ein fünfwöchiges Praktikum zu bewerben.

Warum das IDS?

Das IDS ist ein von Bund und Ländern getragenes Forschungsinstitut und Teil der Leibniz-Gemeinschaft. 2020 waren dort 221 Mitarbeitende beschäftigt, die u.a. in den fünf Fachbereichen Zentrale Forschung, Grammatik, Lexik, Pragmatik und Digitale Sprachwissenschaft arbeiten. Laut der Website (https://www.ids-mannheim.de/) ist es „die zentrale wissenschaftliche Einrichtung zur Dokumentation und Erforschung der deutschen Sprache in Gegenwart und neuerer Geschichte“.

Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim. Foto: © Immanuel Giel 
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Institut_fuer_Deutsche_Sprache_01.jpg), „Institut fuer Deutsche Sprache 01“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.

Zum einen wird die deutsche Sprache am IDS dokumentiert, abgebildet und ‚festgehalten‘. Das geschieht laut dem Jahresbericht 2020 durch Referenzwerke (z.B. Grammatiken und Spezialwörterbücher) sowie durch Sprachressourcen (insbesondere Korpora, also Sammlungen und Datenbanken von verschiedensten Texten, die nach bestimmten sprachlichen Phänomenen durchsucht werden können). Zum anderen wird am IDS die deutsche Sprache aus den verschiedensten Perspektiven erforscht. Das passiert auch nicht nur ‚um der Forschung willen‘. Vielmehr berät das IDS, wie ebenfalls im Jahresbericht zu lesen ist, „auf wissenschaftlicher Grundlage Politik und Gesellschaft zu Fragen von Standardisierung, Sprachpolitik und sprachlicher Bildung“ und nimmt „aktiv an öffentlichen Debatten zu sprachbezogenen Themen“ teil. Sprache ist immerhin ein großer Teil unseres Alltags, der erforscht werden will – und für alle relevant ist! 

In meinem Studium kam ich bereits mit einigen Forschungsprojekten des IDS, wie beispielsweise dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) oder dem grammatischen Informationssystem (GRAMMIS) in Berührung. Als ich also auf der Suche nach Praktikumsmöglichkeiten war, informierte ich mich über das Institut und fand auf der Website sofort alle relevanten Informationen über das IDS an sich, die verschiedenen Forschungsprojekte und Praktikumsmöglichkeiten.

Besonders reizte mich die Tatsache, dass das IDS, obwohl es mit vielen Unis kooperiert, per se keine Universität ist. Ich fand unheimlich spannend, zu sehen, was Sprachforschung außerhalb einer Hochschule bedeutet – zumal man als Germanistikstudent:in bei der Berufsmöglichkeit „in die Forschung gehen“ häufig nur eine universitäre Karriere vor Augen hat.

Bewerbung

Nachdem ich recherchiert hatte und mein Interesse geweckt worden war, schrieb ich ein formloses Bewerbungsschreiben, in dem ich (wie auf der Website vorgegeben) meine Motivation für ein Praktikum, meine Wunschprojekte und meinen bevorzugten Zeitraum nannte. Ich entschied mich für zwei Projekte der Abteilung Grammatik: GRAMMIS, das ich schon aus dem Studium ein wenig kannte und GDE-V (Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich – Verbgrammatik). Dabei verfasste ich für die Bewerbung keinen Roman in Hexameter und Sonettform, sondern beschrieb einfach, inwiefern das Praktikum einen Mehrwert für mein Studium (v.a. in Hinblick auf Berufsorientierung) hätte. 

Ein paar Stunden später kam bereits die Antwort vom Sekretariat – man würde in Erfahrung bringen, ob im Zeitraum von März bis April Betreuer:innen zur Verfügung stünden. Vier Tage später kam dann die Zusage für das (aufgrund der Pandemie virtuell stattfindende) Praktikum. Unkomplizierter und schneller geht es nicht!

Einige Tage später kam dann auch Post von der Personalabteilung und ich unterschrieb meinen Praktikumsvertrag. Ich bekam sogar eine eigene E-Mailadresse für die Dauer des Praktikums. Von der Organisation und der IT-Abteilung war ich also schon vor Beginn des Praktikums ziemlich begeistert – und freute mich riesig auf meinen ersten Tag am IDS.

Das Praktikum

Mein Praktikum begann im Projekt „Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich – Verbgrammatik“, an dem ich zwei Wochen lang mitarbeitete. In diesem Projekt werden, vereinfacht gesagt, die deutsche Grammatik mit anderen europäischen Sprachen verglichen und dadurch Spezifika der deutschen Sprache näher erforscht. Der Fokus liegt bei diesem Projekt, wie der Name schon verrät, auf den Verben. Ziel des Projekts ist es, einen Grammatikband zu veröffentlichen, der die Ergebnisse der Forschung dokumentiert. Die bereits erschienenen Veröffentlichungen zum Vorgängerprojekt, bei dem der Fokus auf Nomina lag, hatte ich mir vorher ausgeliehen, um schon mal eine Idee vom Projekt zu bekommen – zwei Wälzer von insgesamt fast 2000 Seiten. Wenn man als Studi die eigenen 15- bis 20-seitigen Hausarbeiten im Vergleich dazu anschaut, merkt man, wie viel jahrelange Forschung und Arbeit darin steckt – und hat natürlich ein wenig Respekt davor.

Am ersten Praktikumstag hatte ich ein digitales Begrüßungs-Meeting mit der Projektleiterin, die mir das Projekt genauer vorstellte und die Arbeitsweise der verschiedenen Studien erklärte. Dann erhielt ich auch schon meine Aufgabe für die Woche – die Auswertung von deutschen und englischen Korpusdaten in einer empirischen Studie des Projekts (was gut zu meinen Studienfächern Germanistik und Anglistik passte). Ich sollte Belege aus verschiedenen Korpora genau durchgehen und Sätze, die vom Korpus fälschlicherweise als Treffer markiert wurden, aussortieren. Dabei konnte ich recht selbstständig arbeiten, aber wenn Unklarheiten aufkamen, reichte eine kurze Mail und sofort wurde ein Meeting arrangiert. Auf alle meine Fragen reagierten die Projektleitung und alle Mitarbeitenden immer sehr freundlich und schnell – und mir wurde stets gezeigt, wofür meine Arbeit gebraucht wird. So hatte ich das Gefühl, nicht einfach nur irgendwelche Aufgaben zu erledigen, sondern meinen eigenen kleinen Beitrag zu der Forschung des Projekts zu leisten.

Parallel zum eigentlichen Praktikum fand in dieser Woche die (ebenfalls digitale) Jahrestagung des IDS statt, zu der ich mich, sooft ich konnte, zuschaltete. 2021 stand die Tagung unter dem Motto „Sprache in Politik und Gesellschaft: Perspektiven und Zugänge“. Neben den verschiedenen thematischen Inhalten war es hier total interessant, Germanist:innen, deren Lehrwerke ich teilweise schon im Studium gelesen hatte, in einem Meeting live zu hören und zu sehen – und es waren auch einige bekannte Gesichter von der JLU dabei.

In der zweiten Woche arbeitete ich in einem anderen Unterprojekt mit, das sich mit linguistischen Experimenten beschäftigte. Hier bekamen eine andere Praktikantin und ich eine methodische Einführung zur Erstellung und Auswertung linguistischer Fragebogenstudien – und am Ende der Woche konnten wir sogar selbst einen Fragebogen erstellen. Zum Abschluss meines ersten Praktikumsabschnitts stellte ich meine Ergebnisse und Aufgaben der beiden Wochen in einem Projektmeeting allen Mitarbeitenden des Projekts vor.

Den zweiten Teil meines Praktikums verbrachte ich im Projekt „GRAMMIS II: Grammatische Datenbanken und Informationssysteme“, das mir schon im Studium über den Weg gelaufen war. GRAMMIS (https://grammis.ids-mannheim.de/) ist ein wissenschaftliches Informationssystem, das Fragen und Themen rund um die deutsche Grammatik behandelt (und super nützlich für Germanistikstudierende ist, da man hier wissenschaftlich fundierte und geprüfte Antworten auf Fragen findet – also nächstes Mal bei Fragen zur deutschen Grammatik nicht irgendein Internetforum durchforsten, sondern ruhig mal hier vorbeischauen!). Auf der GRAMMIS-Website gibt es auch Übungen (z.B. zum Thema Wortarten) – und genau solche Übungen durfte ich konzipieren und Artikel zu grammatischen Themen gegenlesen.

Außerdem beschäftigte ich mich mit einem weiteren, sehr interessanten Projekt: einem Korpus zu deutschen Songtexten (http://www.songkorpus.de/). Hier fügte ich neue Songtexte und dazugehörige Hintergrundinformationen (wie Erscheinungsdaten, Publisher, etc.) in die Datenbank ein. Auch im zweiten Teil meines Praktikums konnte ich relativ selbstständig arbeiten, hatte aber stets Kontakt zu meinem Betreuer und wurde bei Fragen sofort unterstützt.

Fazit

Ich kann ein Praktikum am IDS wirklich nur wärmstens empfehlen! Jegliche Bürokratie wurde vom IDS unheimlich schnell, freundlich und top organisiert erledigt und ich konnte sehr viel aus den fünf Wochen Praktikum mitnehmen. Ich wurde wirklich überaus freundlich und kompetent betreut und habe immer sinnvolle, spannende Aufgaben erhalten, mit denen ich trotzdem nicht überfordert war. Fragen waren immer willkommen – von sprachlichen Inhalten über Projekte und das IDS bis hin zu Berufsperspektiven und der Arbeit als Linguist:in. Und da ich ‚nur‘ in zwei Projekten war, habe ich natürlich die anderen spannenden Bereiche abseits der Abteilung Grammatik nicht erlebt – das liegt jetzt an euch. Also: Ran an die Bewerbung!

Website des IDS: https://www.ids-mannheim.de/

Jahresbericht 2020: https://www.ids-mannheim.de/fileadmin/org/Jahresbericht/IDS_Jahresbericht_2020.pdf