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Von Merle Hannah Casimir, Annika Heinstadt und Marlene Peter

Mittwoch, der 11. Januar 2023, 15:30 Uhr. Der Unterrichtsraum ist bis auf einen Platz noch leer, schon in wenigen Minuten werden sich die restlichen Stühle füllen. Vor uns sitzt eine junge Frau, Mitte 20, die gleich den Deutschkurs B1.1 leiten wird. Wir werden sie im Folgenden Frau F nennen. Gerade schaut sie noch durch ihre Unterlagen, die sie für die heutige Sitzung vorbereitet hat. Die zehn Kursteilnehmenden, die nach und nach eintreffen, begrüßen sie vertraut und unterhalten sich noch. Die meisten von ihnen kommen aus der Ukraine und sind erst seit einigen Monaten in Deutschland. Seit ihrer Ankunft haben sie bereits zwei Vorläuferkurse besucht. Frau F arbeitet seit ihrem zweiten Mastersemester als Lehrkraft für Deutsch als Zweitsprache (DaZ).

Was braucht es, um Lehrkraft für DaZ zu werden?

Wenn man als Lehrkraft im Bereich Deutsch als Zweitsprache tätig werden möchte, spielen vor allem zwei Dinge eine große Rolle. Diese ist erstens die fachliche Qualifikation, beispielsweise durch einen Hochschulabschluss in Germanistik, und zweitens praktische Erfahrung im Unterrichten von Deutsch als Zweitsprache. Diese Praxiserfahrung kann, wie bei Frau F, auch bereits während des Studiums bei einer Nebentätigkeit gesammelt werden. Wenn diese Voraussetzungen nicht ausreichend erfüllt sind, gibt es die Möglichkeit einer Zusatzqualifizierung, um als Lehrkraft für deutsche Sprachkurse in der Erwachsenenbildung zugelassen zu werden. Die Zusatzqualifikation umfasst 140 Unterrichtseinheiten, einerseits zu Grundlagen der deutschen Sprache und andererseits zu gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Hintergründen rund um die Themen Migration und Flucht.

Das Bundesamt für Migration (kurz BAMF) finanziert unter anderem Sprachkurse für Geflüchtete in Deutschland.
Wer sich die Qualifikationsmöglichkeiten nochmal genauer anschauen möchte, findet mehr Informationen auf der Webseite des BAMF:
https://www.bamf.de/DE/Infothek/infothek-node.html;jsessionid=1CD629EEAF454E00BE783CDDFAB75936.intranet662
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Integration/Integrationskurse/Lehrkraefte/matrix-zulassung-lehrkraefte-integrationskurse-ab-01102020.html

Unterrichten kann man als eine solche Lehrkraft zum Beispiel an Volkshochschulen, Universitäten oder einzelnen vom BAMF zertifizierten Sprachschulen. Auch gemeinnützige Vereine und Organisationen, bei denen ehrenamtlich gearbeitet wird, bieten Sprachkurse an. Mittlerweile wird auch an vielen Schulen im Bereich DaZ, dann allerdings in der Kinder- und Jugendbildung gelehrt.

Die Einstiegsvoraussetzungen in die Lehre im DaZ-Bereich sind damit klar geregelt. Doch wie sieht die berufliche Praxis aus?

Herausforderungen im Beruf

Wie man sich vorstellen kann, kommen in den Kursen unterschiedlichste Menschen zusammen. So kann es sein, dass im gleichen Unterrichtraum eine ältere Person, die nie eine Zweitsprache erlernt hat, und eine jüngere Person, die bereits einen Studienabschluss besitzt und fließend Englisch spricht, zusammensitzen. Standardisierte Kursregelungen treffen hierbei auf individuelle Lebensgeschichten und Situationen. Dieser Umstand stellt nicht nur die Lernenden selbst, sondern auch die Lehrkräfte im DaZ-Bereich vor große Herausforderungen. „Man muss schon ein dickes Fell haben. Du bist mit persönlichen Schicksalen konfrontiert, für die man ein gewisses Feingefühl haben muss. Gleichzeitig fordert das in der Planung des Kurses ein hohes Maß an Flexibilität“, sagt Frau F. Die Teilnehmenden ihres derzeitigen Kurses unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Herkunft und Lern- und Sprachbiografie nicht allzu stark: „Dann kommt ein Sprachkurs natürlich besser voran. Eine solche Zusammensetzung ist aber nicht der Normalfall.“

Durch eine oft zu geringe Teilnehmendenanzahl und wirtschaftliche Faktoren ist es den zuständigen Institutionen nicht immer möglich, ein differenziertes Kursangebot aufzustellen. Dieses wäre jedoch nötig, um den Lernenden und ihren unterschiedlichen Voraussetzungen gerecht zu werden. Außerdem arbeiten die Lehrkräfte meistens in freiberuflicher Tätigkeit auf Honorarbasis. Durch verbesserte finanzielle Möglichkeiten der Kursträger könnte Lehrenden mehr Sicherheit im Arbeitsverhältnis geboten werden. Auch eine gezieltere Vorbereitung auf den Umgang mit heterogenen Lerngruppen im Rahmen der Ausbildung würde zur Entlastung beitragen.

Doch es gibt auch Schätzenswertes

Trotz aller Herausforderungen hat die Lehrtätigkeit im DaZ-Bereich hohe gesellschaftliche Relevanz und ist eines der beruflichen Felder, das in der Zukunft aufgrund sich ständig ändernder geopolitischer Umstände immer eine große Rolle spielen wird. Frau F schätzt an ihrer Arbeit besonders den kulturelle Austausch mit den Kursteilnehmenden: „Ich merke das immer wieder. Dann gehe ich nach Hause und fühle mich gut mit dem, was heute passiert ist und freue mich darüber, auch selbst etwas gelernt zu haben. Ich nehme ganz viel davon mit.” Im Gespräch über Kultur wird der gesamte Kurs aktiv: „Dann reden sie sehr viel auf einmal und hantieren mit Händen und Füßen, erzählen einem alles. Das ist richtig schön.” Als Lehrkraft begegnet man außergewöhnlichen Menschen mit außergewöhnlichen Biografien.

Jetzt ist es kurz nach 18 Uhr, die Sonne ist bereits untergegangen. Alle freuen sich auf den hart erarbeiteten Feierabend und verabschieden sich mit rauchenden Köpfen in den Abend. Zum Abschluss sagt Frau F: „Ich war gar nicht darauf aus, jemals irgendwen zu unterrichten, aber jetzt macht es mir halt richtig Spaß”.