Von Lilli Weiskopf
„Bedrohlich, existenzgefährdend, mit finanziellen Einbußen, die ich so noch nicht hatte“, so beschreibt der Poetry-Slammer Lars Ruppel seine persönlichen Erfahrungen in der Corona-Krise, von der viele Menschen aus dem Kulturbetrieb sehr hart getroffen werden. Er habe „kein Ego, das den Applaus oder das Rampenlicht braucht“ – am meisten fehlten ihm die Einnahmen und finanzielle Sicherheit für Kinder und Familie. Solche Geld- und Existenzsorgen betreffen hauptberufliche Künstler*innen mehr als Personen, für die Kunst eine Nebeneinnahmequelle ist – und für die sich die Pandemie sogar positiv auswirken kann.
Seit der Corona-Krise traten deutschlandweit viele Veranstaltungsverbote und Kontaktsperren in Kraft, die das öffentliche Leben massiv einschränkten. Obwohl bereits viele Lockerungen eingetreten sind, gilt vieles nur unter Vorbehalt. Beispielsweise sind Großveranstaltungen bis zum 31.10. untersagt – und somit auch viele Aufritte von Künstler*innen.
Auch Lars Ruppel ist von den Regelungen stark betroffen. Der Poetry-Slammer lebt in Berlin, organisiert aber nach wie vor Veranstaltungen in Mittelhessen, auch in Marburg und Gießen, wo er mit dem Poetry-Slamming anfing und erste Auftritte hatte. Seine Veranstaltungen reichten „von ersten Jazz-Slams im MUK“ als 16-Jähriger über die Organisation der hessischen Poetry-Slam-Meisterschaften im Jokus und im Stadttheater Gießen bis zur Moderation einer Veranstaltung des Gießener Kultursommers auf dem Schiffenberg. Durch das Veranstaltungsverbot mussten auch alle seine Auftritte abgesagt werden. Der Lockdown habe sich anfangs „motivierend ausgewirkt“, so Lars Ruppel. Er wollte „etwas bewegen, neue Konzepte entwickeln“ und sich „bereit machen, für das, was danach kommt“. Rückblickend sei dies auch Verzweiflung gewesen, und viele digitale Angebote seien „weder Ersatz noch Trost“ für den normalen Kulturbetrieb. Durch die Krise habe sich auch der Arbeits- und Lebensrhythmus von vielen verändert – wer vorher oft unterwegs war, müsse jetzt durch Home-Office und Co. „Privates mit Beruflichem vereinbaren“. In der kreativen Anfangsphase sind einige Videos entstanden, er habe viele Auftraggeber angerufen, um „digitalen Content“ zu schaffen. Dabei verbindet Lars Ruppel Poetry Slamming auch mit sozialen Bereichen: Gedichte wie „Worttransport – Logistikpoesie“, das einen Dank an alle „Logistikhelden“ darstellt, oder das Auftragsgedicht „Ihr seid da“, das von der Diakonie Hessen veröffentlicht wurde, drücken Anerkennung für systemrelevante Arbeitskräfte aus. Lars Ruppel nutze seine Plattform und „Mutmachgedichte“auf seiner Homepage (http://larsruppel.de) auch, um „Leute, die mir wichtig sind, zu unterstützen“, sofern er könne. Auch ein Stream, in dem Lars Ruppel die Moderation eines Science-Slams der Fachhochschule Fulda übernahm, hätte „technisch gut funktioniert und Spaß gemacht“. Trotzdem bestünden insgesamt Unterschiede zu Live-Veranstaltungen: Es sei „wie ein Seminar übers Bungee-Jumping – es ist halt kein richtiges Bungee-Jumping“.
Es gebe natürlich viele Möglichkeiten, Künstler*innen zu unterstützen, wie etwa das Teilen von Videos oder Spenden an Patreon Accounts (Crowdfunding-Accounts, die Künstler finanziell dauerhaft unterstützen), jedoch könne dies vieles „nicht kompensieren oder darüber hinwegtrösten“. Was wichtig sei, sei vor allem „eine Perspektive, dass es wieder besser wird“. Man könne Künstler*innen vor allem unterstützen, indem man nach Corona wöchentlich auf Poetry-Slams und Konzerte geht. Wichtig sei auch, „politisch zu arbeiten“ und sich zu informieren, „wie sich die Parteien gegenüber Künstlern verhalten haben“, da „der Poetry-Slammer, der Jazz-Musiker auf der Open Stage oder die Landschaftsmalerin, die auf dem Markt ihre Bilder verkauft“ oft nicht gefördert würden.
Grundsätzlich sei es für ihn schwer, als Künstler etwas Positives an Corona zu sehen, „weil man gemerkt hat, dass die Politik nicht die Wertschätzung für den nicht-staatlichen Kulturbetrieb zeigt, die man sich gewünscht hätte“. Eine Hoffnung sei, dass das Publikum nach der Corona-Krise Kultur stärker wertschätze und ein Umdenken stattfinde.
Für Künstler*innen, die sich durch Auftritte und Live-Präsenz finanzieren, ist die Corona-Krise existenzgefährdend. Das unterscheidet sie deutlich von nebenberuflichen Künstler*innen, die meist weniger hart getroffen werden.
Zu diesen gehört auch der JLU-Student Johannes Michel und seine Band JukeBox, die sich durch lokale Auftritte finanziert. Auch auf ihn und seine Mitmusizierenden wirkten sich die Corona-Einschränkungen aus, da sämtliche Proben und Gigs abgesagt werden mussten. Jedoch empfand Johannes Michel die ersten Wochen der Pandemie in den Semesterferien als positiv, da „man viel Zeit für Songwriting hatte“. Dabei sei es angenehm, dass die Musik nicht „das einzige Standbein ist“, er bekomme aber natürlich mit, „wie hart es für hauptberufliche Künstler ist“.
Johannes Michel vermisst vor allem das „Auftrittsfeeling“, die Interaktion mit dem Publikum und das „gemeinsame Musikmachen“, da die Band nicht das technische Equipment für Online-Alternativen habe. Allerdings seien eingetretene Lockerungen für JukeBox schon spürbar: Das Treffen für Musikproben ist wieder möglich. Außerdem konnte die Band im Juni in einem kleineren Rahmen wieder auftreten. Dieser Gig durfte zwar aufgrund der Corona-Maßnahmen „keinen Konzertcharakter haben“ und nur für „halb-akustische Hintergrundmusik“ sorgen, sei aber eine schöne Möglichkeit gewesen, um gemeinsam Musik zu machen. Wie man Künstler*innen unterstützen könne, komme ganz „auf das Format des Künstlers an“. Bei lokalen Musikgruppen sei es wichtig, sie „nicht zu vergessen und für nächstes Jahr zu buchen“. Bekanntere Künstler*innen unterstütze er selbst durch „den Kauf von CDs im Laden“, was er „jedem ans Herzen legen“ könne. Johannes Michel kann definitiv etwas Positives an der Corona-Zeit sehen, da die Musik für ihn ein Hobby ist. Finanziell geht ihm die Situation daher „nicht so nah“ und die in der kreativen Zeit neu entstandenen Songs seien eine gute Basis, um motiviert aus der „Entzugsphase“ nach Corona hinauszugehen.