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Von Leonie Dittrich

„Kann man mich hören?“ ist wohl die am häufigsten gestellte Frage, die Studierende in den vergangenen Wochen während ihrer Videokonferenzen über Programme wie Cisco Webex, Zoom oder Microsoft Teams beantworteten. Durch das Coronavirus befinden sich die rund 28.000 Studierenden der Justus-Liebig-Universität (JLU) derzeit im Homeoffice. Dabei ist es nach Aussage einer Studentin nicht immer einfach, den Alltag zu strukturieren und die nötige Motivation aufzubringen, sich mit dem Lernstoff auseinanderzusetzen. Das bestätigt auch Franziska Drescher, die im fünften Semester Lehramt studiert: „Während des Online-Seminars mit Jogginghose auf dem Sofa zu liegen ist zwar ganz schön, jedoch stellt mich die momentane Situation auch vor einige Herausforderungen.“ 

Nach wie vor habe die Corona-Pandemie das Leben an der JLU fest im Griff, schreibt Hochschulpräsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee in einem Rundschreiben vom 10. Juni 2020 an Mitarbeiter und Studierende. Für die allermeisten werde sich auch in der zweiten Hälfte des Sommersemesters kaum etwas ändern. Nachdem der Veranstaltungsbetrieb an der JLU eine Woche später begann, sei die Uni nach wie vor weit entfernt von einem normalen Präsenz-Lehrbetrieb. 

Der Start in dieses außergewöhnliche Studienhalbjahr, das unter dem Motto „maximal digital“ steht, war bei vielen chaotisch: Der Tagesablauf musste neu geplant werden und eine Germanistikstudentin berichtet davon, dass nahezu jeder Dozierende in ihren insgesamt sieben Veranstaltungen eine andere Herangehensweise verfolgt. Nichts sei einheitlich: Einige Seminare finden per Videochat statt, in anderen Veranstaltungen werden Videos zur Verfügung gestellt, die sie sich eigenständig angucken muss und in wieder einem anderen Kurs setzt der Dozierende auf Selbststudium und lädt bloß Texte hoch. 

„Auch der Arbeitsaufwand ist viel höher als in den vergangenen Semestern“, stellt die Studentin fest. „Besonders durch die wöchentlichen Abgaben sitze ich oft bis abends vor dem Computer.“ Die Onlinelehre zwingt außerdem dazu, selbstständig zu entscheiden, wann sie die gestellten Aufgaben erledigt oder für Prüfungen lernt. „Das kann theoretisch um 1 Uhr nachts oder um 8 Uhr morgens passieren.“ Die neu gewonnene Freiheit ist eben Chance und Risiko zugleich. 

Als größten Nachteil sehen die drei Studierenden jedoch den fehlenden persönlichen Austausch mit Kommiliton*innen und auch Präsident Mukherjee betont im Rundschreiben vom 10. Juni, dass ein Studium eigentlich keine einsame Sache vor dem Computerbildschirm sein sollte. Forschung lebe vor allem auch vom direkten Austausch mit anderen. „Der Kontakt zu Freunden aus der Uni fehlt mir am meisten und auch einfach mal etwas anderes zu sehen als die eigenen vier Wände“, erwähnt die Germanistikstudentin. Online zu diskutieren ist eben doch etwas anderes als mit einem Kaffee in der Hand mit Kommiliton*innen auf der Wiese vor dem Unigebäude in der Sonne zu sitzen. 

Doch die Corona-Pandemie hat nicht nur Auswirkungen auf die Präsenzlehre: Marion Müllers geplantes Auslandssemester im britischen Wolverhampton, das im nächsten Wintersemester stattfinden sollte, wurde abgesagt und voraussichtlich auf den Sommer 2021 verschoben. Das Fachpraktikum von Franziska Drescher an einer Grundschule musste hingegen frühzeitig abgebrochen werden. „Als Ersatzleistung muss ich jetzt eine Schreibaufgabe abgeben, die die zwei fehlenden Wochen Praxiserfahrung leider nicht ersetzen.“ 

Auch die Wohnsituation mancher Studierenden hat sich zwangsweise geändert. Marion Müller, Germanistikstudentin im vierten Semester, berichtet, dass sie aufgrund der aktuellen Lage zurück in ihr altes Kinderzimmer bei ihren Eltern gezogen ist. Ihre Wohnung in Gießen hat sie gekündigt. „Da ich mein Zimmer jetzt auch zum Arbeitszimmer umfunktionieren musste, habe ich keinen Rückzugsort mehr. Da fällt mir schon manchmal die Decke auf den Kopf“,erzählt die 21-Jährige. Franziska Drescher geht es ähnlich und erklärt, sie versuche, räumlich zu trennen: „Wenn ich am Schreibtisch sitze, mache ich etwas für die Uni, wenn ich aufstehe, verbanne ich die Uni aus meinem Kopf.“ Sie nehme sich außerdem vor, mindestens einmal am Tag in den Park zu gehen, um nicht die gesamte Zeit in der Wohnung zu verbringen. 

Natürlich hat das Homeoffice auch einige Vorzüge: Der Wecker klingelt später als sonst, die Jogginghose kann angelassen werden und auch den Weg zur Uni sparen sich die Studierenden. Nichtsdestotrotz wünschen sich die meisten nach diesem außergewöhnlichen Monaten eines: Ein normales Wintersemester, das sie gemeinsam mit ihren Kommiliton*innen bestreiten können.