Ukraine digital – Studienerfolg in Krisenzeiten sichern

„Ukraine digital – Studienerfolg in Krisenzeiten sichern“ – so heißt ein Programm, mit dem der Deutsche Akademische Austauschdienst 2022 schnell auf die Kriegssituation in der Ukraine reagiert hat. Die Idee dahinter scheint klar und logisch: Wir müssen und wollen auch im akademischen Umfeld die Ukraine unterstützen. Da die Möglichkeiten der Präsenzlehre und des regulären Universitätsbetriebs stark eingeschränkt sind, lässt sich Unterstützung am besten durch digitale Lehre (synchrone Onlinekurse und/oder asynchrone Lehrangebote) leisten.

Der DAAD hat das Programm so ausgerichtet, dass es ukrainischen Studierenden ermöglichen soll, ihre Studiengänge in der Ukraine fortzusetzen – es soll also kein Braindrain stattfinden, es geht also nicht darum, die Studierenden mit Stipendien nach Deutschland zu holen, sondern vielmehr darum, gemeinsam mit den ukrainischen Kolleginnen das Angebot an digitaler Lehre auszubauen und Studierende mit Online-Stipendien in ihrer schwierigen Lage zu unterstützen.

Doch was heißt eigentlich „Studienerfolg in Krisenzeiten“? Wie geht das, ist das überhaupt möglich? Das Institut für Germanistik hat sich mit einer Kooperation mit dem Lehrstuhl für deutsche Sprache an der Nationalen Iwan-Ohijenko Universität in Kamjanets-Podilskyj an dem DAAD-Programm beteiligt. Im Herbst 2022 hat die Kollegin Dr. Ganna Bratytsya unser Institut für einen dreimonatigen Forschungsaufenthalt besucht; außerdem haben fünf Studierende mit einem Online-Stipendium an ausgewählten digital verfügbaren Veranstaltungen unseres Instituts teilgenommen. Von Gießener Seite haben sich einige Kolleginnen mit dem Angebot von Onlinelehre und -workshops beteiligt sowie zwei studentische und eine wissenschaftliche Hilfskraft das Projekt unterstützt.

Doch – das muss man klar und deutlich sagen – einen Universitätsbetrieb mit studierfähigen Studiengängen während eines Krieges aufrechtzuerhalten, ist eine enorme Herausforderung. Die finanzielle Unterstützung durch den DAAD und die Unterstützungsbereitschaft der Kolleginnen in Gießen konnten den fünf Kolleginnen des Lehrstuhls für deutsche Sprache in Kamjanets-Podilskyj sicherlich moralische Unterstützung bieten, das Ziel der Aufrechterhaltung des Studierbetriebs wohl aber höchstens sehr partiell bedienen. Ein Krieg ist eben mehr als eine Krise. Er ist eine Katastrophe. So war die Situation in Kamjanets-Podilskyj im Laufe des Herbst 2022 zunehmend durch Luftalarm und Stromabschaltungen geprägt, sodass es häufig leider nicht möglich war, die geplanten digitalen Veranstaltungen durchzuführen. Auch die zu Beginn des Semesters sehr motivierten ukrainischen Studierenden, die ein Online-Stipendium erhalten haben, konnten die synchron durchgeführte digitale Lehre häufig nicht wahrnehmen. Und an Forschung war für Frau Bratytsya während ihres Aufenthalts in Gießen kaum zu denken, vielmehr nutzte sie – da sie ja permanent über Strom und Internet verfügte – ihre Zeit in Gießen dafür, die Geschicke des germanistischen Lehrstuhls und ihrer Familie von der Ferne aus zu lenken.

Wir Gießener Kolleginnen, die an dem Projekt beteiligt sind, haben großen Respekt vor der Stärke, mit der unsere ukrainischen Kolleginnen sich darum bemühen, ihren Alltag an der Universität weiterhin zu bestreiten. Wir bewundern, dass sie nicht aufgeben, sondern voller Hoffnung auf baldigen Frieden in der Ukraine und voller Zuversicht in Bezug auf die Wiederherstellung ihres normalen Alltags durchhalten. Wir wünschen ihnen weiterhin viel Kraft und hoffen, 2023 mit der geplanten Fortsetzung der Zusammenarbeit mehr und bessere Unterstützung leisten zu können als im Herbst 2022.