Von Ruth Süpple

Am Wochenende vom 7.11 – 10.11.2019 fand zum 34. Mal das DISKURS Festival am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft statt, ehrenamtlich organisiert von Studierenden des Instituts für Angewandte Theaterwissenschaft unter der Trägerschaft des kunstrasen giessen e.V. Unter dem Titel never again wurden verschiedenste nationale und internationale Künstler*innen eingeladen. Das umfangreiche Programm reichte von Lesungen über Installationen bis hin zu Performance-Aufführungen. Zentraler Aufenthaltsort war das Festivalcenter in der Alten Universitätsbibliothek. Hier konnte man sich beim gemeinsamen Essen und Trinken (vegetarisch, vegan auf Spendenbasis) sowie den organisierten Talks über Gesehenes und Gehörtes austauschen.

Die Verbindung aus Kunst, Politik und Performance wurde im Programmheft DISKURS 34 pointiert formuliert: „never again als Ausgangspunkt für eine kritisch utopische Befragung der Gegenwart, als spielerische Aneignung komplexer Realitäten, als polemischer Trotz gegenüber verworrener Alltäglichkeit.“
Das Festival wurde an verschiedenen Spielorten ausgetragen, jedoch überschnitt sich das Programm zeitlich nicht, sodass alle Veranstaltungen von allen besucht werden konnten. Möglichkeit zur Diskussion boten außerdem die abendlichen Gesprächsrunden, in welchen die Themen frei und kollektiv besprochen, mit Hintergrundinformationen unterlegt und kritisch hinterfragt wurden. Diskurs über das DISKURS. 

Das Thema never again wurde vielseitig und auf überraschende Weise von unterschiedlichsten Künstler*innen beleuchtet. 

Mit Emanzipation, dem Streben nach Auflösung veralteter Gesellschaftsstrukturen, aber auch mit dem Aufbegehren und Demonstrieren gegen Widrigkeiten, beschäftigte sich das Künstler*innen Trio Julia Lübbecke, Alexander Klaubert und Francis Kussa. Wo und zu welcher Zeit haben sich Leute über unüberwindbare Grenzen hinweggesetzt? Dazu wurden prägnante Video- und Toneinspielungen verschiedenster Protestbewegungen, vergangener und gegenwärtiger Konflikte eingespielt und durch physische wie verbale Aktionen einer Künstlerin unterstützt. 

Die ausgewählten Einspielungen ließen den Kampf gesellschaftlicher Minderheiten in einer Mischung aus Frustration und Hoffnung spüren. Die Kraft der Aufnahmen zogen einen in den Bann, sodass die Anwesenheit der Darstellerin oft in den Hintergrund rückte, was die Energie der zeitgeschichtlichen Referenzen noch stärker vergegenwärtigte und auf die allgegenwärtigen Missstände und Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft noch intensiver aufmerksam machte. 

Mit einer anderen Form von Protest und Aufbegehren beschäftigten sich die Künstler*innen Sara Leghissa und Rahel Crowford Barra. Über die gesamte Dauer des Festivals berichteten sie über „puke love“, also über die Praktik oder auch den Akt des „Sich-Übergebens“ bzw. „Kotzens“ als kollektive Demonstration gegen Missstände und Manipulation. Wer wollte, konnte sich unter Anleitung sein individuell Erbrochenes aus Essensresten mischen und in einer Plastikflasche abgefüllt, sozusagen als „Protestwaffe“, mitnehmen. Hierbei ging es vor allem um das Zurückgreifen auf körperliche Bedürfnisse und physische Rechte, um so die Aufmerksamkeit auf Ungerechtigkeit zu lenken und somit die Machtlosigkeit friedlicher Protestbewegungen zu verdeutlichen. 

Abschied und dadurch Verlust, Befreiung oder beides?
Passend zum Ende wurde das DISKURS Festival am Sonntagabend mit der Performance Relic von AVOEC PERFORMANCES abgeschlossen. In der Performance beschäftigten sich die Künstler*innen mit dem Zelebrieren und Feiern des Endes. 

Die Darbietung reichte von einem Karaoke Medley mit Songs zum Thema Ende, über eine Versteigerung von persönlichen „Reliquien“ der Performer*innen an die Zuschauer*innen, bis hin zu Fragebögen, auf denen Veränderungen und Verluste der Zuschauer*innen notiert und abschließend gemeinsam feierlich verbrannt wurden. Ziel war es, verschiedenen Enden und Vergänglichkeiten im Leben einen zeremoniellen Charakter zu verleihen und sich die Frage zu stellen, wie mit Verlust einhergehende Veränderungen unser Leben nachhaltig beeinflussen. 

Wer danach noch weiter Ende zelebrieren wollte, konnte ab 22 Uhr noch zur Abschlussparty des DISKURS-Festivals gehen. Im Festivalzentrum wurde derweil schon von den freiwilligen Helfer*innen abgebaut, damit am Montag wieder Seminare stattfinden konnten.