Exkursion nach Halberstadt

Wenn der Name Programm wird

Überraschend, skurril und verbindend – so lässt sich die Exkursion des letzten Sommersemesters unter der Leitung von Professor Doktor Joachim Jacob nach Halberstadt wohl am besten beschreiben. Von dem Seminartitel „Literatur-und Briefkultur, Freundschaft und Geselligkeit im 18. Jahrhundert. Exkursionsseminar im Gleimhaus, Halberstadt“ hatten sich die Masterstudenten in Germanistik in Marburg und Gießen zu Beginn nur wenig versprochen. Sowohl der Seminarplan, als auch die ersten einführenden Sitzungen konnten diesen Irrglauben kaum entkräften. Eine Exkursion auf den Spuren von Johann Wilhelm Ludwig Gleim, von dem bis dato kaum einer der beiden Studentengruppen aus den rivalisierenden Nachbaruniversitäten je etwas gehört hatte, klang nicht gerade nach Spaß und Freude. Ein vollgestopfter Seminarplan bis zum Abend, irgendein Orgelprojekt und eine selbstständige, unorganisierte Anreise unterstützten diese Vorahnung nur weiter.

Nach der Ankunft im Hotel ging es also direkt weiter ins Gleim-Haus für eine erste Führung. Mit dem was die Studierenden dort erwartete hatte aber keiner zuvor gerechnet. Im kleinen Hof ein Kreis voller skurriler Urnen mit bekannten Namen wie Lessing verwirrte die Junggermanisten sichtlich. Natürlich hausten dort nicht die tatsächlichen Überreste der berühmten Schriftsteller. Gleim hatte diese Kuriosität als Andenken seiner vorangegangenen Freunde errichten lassen. Nicht weniger skurril war ein Raum, in dem einen hunderte von Augen anblickten. Im sogenannten Freundschaftstempel hatte Gleim Porträts aller seiner Bekannten aufhängen lassen. Dass man in diesem Raum in geselliger Runde saß, war nur schwer vorstellbar. Doch schnell wurde klar, je mehr die Studierenden über den exzentrischen Dichter und Gesellschafter Gleim erfuhren, desto interessanter wurde die Exkursion. Die Seminarstunden vergingen ungewöhnlich schnell, dar die Präsentationen in Bewegung stattfanden, man konnte am Nachbau von Gleims Schreibtisch spaßen und die Kälte des Hauses genießen während draußen Temperaturen von über 30 Grad das Gras austrockneten. Abends ging es zum gemeinschaftsstiftenden Pizza-Essen oder Picknicken und danach begann der richtige Spaß. Wie auf Klassenfahrten versammelten sich die Studenten im größten Zimmer und ließen keine Wein- oder Bierflasche ungeöffnet. Wer lieber die frische Luft genießen und seiner Zigarettensucht frönen wollte, der setzte sich im Hof mit seinem Bier zu den Bauarbeitern, die im gleichen Hotel eingecheckt hatten.

Doch die größte Überraschung war wohl das Orgel-Projekt, wo sich manch einer nur widerwillig breitschlagen ließ, trotz Freiwilligkeit, doch beizuwohnen. Das John-Cage-Orgel-Projekt enttarnte sich für so manchen als spirituelle Erleuchtung. Dabei soll über 639 Jahre so langsam wie möglich ein Musikstück abgespielt werden, seit 2013 und noch bis 2020 spielt also durchgängig ein und der selbe Ton in den Hallen eines alten Klostergebäudes. Einmal im Gebäude scheint das Konzept von Zeit schnell surreal. Zufrieden und halb in Trance wirkten viele Studenten beim Verlassen des überraschend angenehmen Orts. Am Ende fuhren die Germanistik-Kurse enger den je und sichtlich zufrieden nach Hause. Freundschaft und Geselligkeit waren also nicht nur im 18. Jahrhundert, sondern auch in Halberstadt 2018 in knapp drei Tagen greifbar geworden.